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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
denk' ich, von mir abfallen, und ich werde wieder
frei sein."

Innstetten hatte kein Auge von ihr gelassen
und war jedem Worte gefolgt. Was sollte das
heißen: "Du bist ein Erzieher?" und dann das
andre, was vorausging: "und ich hab' es auch glauben
sollen, das mit dem Spuk." Was war das alles?
Wo kam das her? Und er fühlte seinen leisen
Argwohn sich wieder regen und fester einnisten.
Aber er hatte lange genug gelebt, um zu wissen, daß
alle Zeichen trügen und daß wir in unsrer Eifer¬
sucht, trotz ihrer hundert Augen, oft noch mehr in
die Irre gehen, als in der Blindheit unsres Ver¬
trauens. Es konnte ja so sein, wie sie sagte. Und
wenn es so war, warum sollte sie nicht ausrufen:
"Gott sei Dank!"

Und so, rasch alle Möglichkeiten ins Auge
fassend, wurde er seines Argwohns wieder Herr und
reichte ihr die Hand über den Tisch hin: "Verzeih'
mir, Effi, aber ich war so sehr überrascht von dem
allen. Freilich wohl meine Schuld. Ich bin immer
zu sehr mit mir beschäftigt gewesen. Wir Männer
sind alle Egoisten. Aber das soll nun anders werden.
Ein Gutes hat Berlin gewiß: Spukhäuser giebt es
da nicht. Wo sollen die auch herkommen? Und
nun laß uns hinüber gehen, daß ich Annie sehe;

Effi Brieſt
denk' ich, von mir abfallen, und ich werde wieder
frei ſein.“

Innſtetten hatte kein Auge von ihr gelaſſen
und war jedem Worte gefolgt. Was ſollte das
heißen: „Du biſt ein Erzieher?“ und dann das
andre, was vorausging: „und ich hab' es auch glauben
ſollen, das mit dem Spuk.“ Was war das alles?
Wo kam das her? Und er fühlte ſeinen leiſen
Argwohn ſich wieder regen und feſter einniſten.
Aber er hatte lange genug gelebt, um zu wiſſen, daß
alle Zeichen trügen und daß wir in unſrer Eifer¬
ſucht, trotz ihrer hundert Augen, oft noch mehr in
die Irre gehen, als in der Blindheit unſres Ver¬
trauens. Es konnte ja ſo ſein, wie ſie ſagte. Und
wenn es ſo war, warum ſollte ſie nicht ausrufen:
„Gott ſei Dank!“

Und ſo, raſch alle Möglichkeiten ins Auge
faſſend, wurde er ſeines Argwohns wieder Herr und
reichte ihr die Hand über den Tiſch hin: „Verzeih'
mir, Effi, aber ich war ſo ſehr überraſcht von dem
allen. Freilich wohl meine Schuld. Ich bin immer
zu ſehr mit mir beſchäftigt geweſen. Wir Männer
ſind alle Egoiſten. Aber das ſoll nun anders werden.
Ein Gutes hat Berlin gewiß: Spukhäuſer giebt es
da nicht. Wo ſollen die auch herkommen? Und
nun laß uns hinüber gehen, daß ich Annie ſehe;

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[318/0327] Effi Brieſt denk' ich, von mir abfallen, und ich werde wieder frei ſein.“ Innſtetten hatte kein Auge von ihr gelaſſen und war jedem Worte gefolgt. Was ſollte das heißen: „Du biſt ein Erzieher?“ und dann das andre, was vorausging: „und ich hab' es auch glauben ſollen, das mit dem Spuk.“ Was war das alles? Wo kam das her? Und er fühlte ſeinen leiſen Argwohn ſich wieder regen und feſter einniſten. Aber er hatte lange genug gelebt, um zu wiſſen, daß alle Zeichen trügen und daß wir in unſrer Eifer¬ ſucht, trotz ihrer hundert Augen, oft noch mehr in die Irre gehen, als in der Blindheit unſres Ver¬ trauens. Es konnte ja ſo ſein, wie ſie ſagte. Und wenn es ſo war, warum ſollte ſie nicht ausrufen: „Gott ſei Dank!“ Und ſo, raſch alle Möglichkeiten ins Auge faſſend, wurde er ſeines Argwohns wieder Herr und reichte ihr die Hand über den Tiſch hin: „Verzeih' mir, Effi, aber ich war ſo ſehr überraſcht von dem allen. Freilich wohl meine Schuld. Ich bin immer zu ſehr mit mir beſchäftigt geweſen. Wir Männer ſind alle Egoiſten. Aber das ſoll nun anders werden. Ein Gutes hat Berlin gewiß: Spukhäuſer giebt es da nicht. Wo ſollen die auch herkommen? Und nun laß uns hinüber gehen, daß ich Annie ſehe;

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/327>, abgerufen am 25.11.2024.