Vetter Briest lachte. "Cousine, ich merke nicht viel davon; Du bist noch hübscher geworden, das ist alles. Und mit dem Stürmischen wird es wohl auch noch nicht vorbei sein."
"Ganz der Vetter," versicherte die Mama; Effi selbst aber wollte davon nichts hören und sagte: "Dagobert, Du bist alles, nur kein Menschenkenner. Es ist sonderbar. Ihr Offiziere seid keine guten Menschenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt Euch immer nur selber an oder Eure Rekruten, und die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde. Die wissen nun vollends nichts."
"Aber Cousine, wo hast Du denn diese ganze Weisheit her? Du kennst ja keine Offiziere. Kessin, so habe ich gelesen, hat ja auf die ihm zugedachten Husaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in der Weltgeschichte dasteht. Und willst Du von alten Zeiten sprechen? Du warst ja noch ein halbes Kind, als die Rathenower zu Euch herüberkamen."
"Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am besten beobachten. Aber ich mag nicht, das sind ja alles bloß Allotria. Ich will wissen, wie's mit Mama's Augen steht."
Frau von Briest erzählte nun, daß es der Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬ gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es
Effi Brieſt
Vetter Brieſt lachte. „Couſine, ich merke nicht viel davon; Du biſt noch hübſcher geworden, das iſt alles. Und mit dem Stürmiſchen wird es wohl auch noch nicht vorbei ſein.“
„Ganz der Vetter,“ verſicherte die Mama; Effi ſelbſt aber wollte davon nichts hören und ſagte: „Dagobert, Du biſt alles, nur kein Menſchenkenner. Es iſt ſonderbar. Ihr Offiziere ſeid keine guten Menſchenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt Euch immer nur ſelber an oder Eure Rekruten, und die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde. Die wiſſen nun vollends nichts.“
„Aber Couſine, wo haſt Du denn dieſe ganze Weisheit her? Du kennſt ja keine Offiziere. Keſſin, ſo habe ich geleſen, hat ja auf die ihm zugedachten Huſaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in der Weltgeſchichte daſteht. Und willſt Du von alten Zeiten ſprechen? Du warſt ja noch ein halbes Kind, als die Rathenower zu Euch herüberkamen.“
„Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am beſten beobachten. Aber ich mag nicht, das ſind ja alles bloß Allotria. Ich will wiſſen, wie's mit Mama's Augen ſteht.“
Frau von Brieſt erzählte nun, daß es der Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬ gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es
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Effi Brieſt
Vetter Brieſt lachte. „Couſine, ich merke nicht
viel davon; Du biſt noch hübſcher geworden, das iſt
alles. Und mit dem Stürmiſchen wird es wohl auch
noch nicht vorbei ſein.“
„Ganz der Vetter,“ verſicherte die Mama; Effi
ſelbſt aber wollte davon nichts hören und ſagte:
„Dagobert, Du biſt alles, nur kein Menſchenkenner.
Es iſt ſonderbar. Ihr Offiziere ſeid keine guten
Menſchenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt
Euch immer nur ſelber an oder Eure Rekruten, und
die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde.
Die wiſſen nun vollends nichts.“
„Aber Couſine, wo haſt Du denn dieſe ganze
Weisheit her? Du kennſt ja keine Offiziere. Keſſin,
ſo habe ich geleſen, hat ja auf die ihm zugedachten
Huſaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in
der Weltgeſchichte daſteht. Und willſt Du von alten
Zeiten ſprechen? Du warſt ja noch ein halbes Kind,
als die Rathenower zu Euch herüberkamen.“
„Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am beſten
beobachten. Aber ich mag nicht, das ſind ja alles
bloß Allotria. Ich will wiſſen, wie's mit Mama's
Augen ſteht.“
Frau von Brieſt erzählte nun, daß es der
Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬
gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/345>, abgerufen am 23.11.2024.
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