Punkte stehe sie ganz zu der jungen Schule: tüchtig essen.
Effi sog sich nicht wenig Trost aus diesen An¬ schauungen, schrieb ein Telegramm an Innstetten, worin sie von dem "leidigen Zwischenfall" und einer ärgerlichen, aber doch nur momentanen Behinderung sprach, und sagte dann zu Roswitha: "Roswitha, Du mußt mir nun auch Bücher besorgen; es wird nicht schwer halten, ich will alte, ganz alte."
"Gewiß, gnäd'ge Frau. Die Leihbibliothek ist ja gleich hier nebenan. Was soll ich besorgen?"
"Ich will es aufschreiben, allerlei zur Auswahl, denn mitunter haben sie nicht das eine, was man grade haben will." Roswitha brachte Bleistift und Papier, und Effi schrieb auf: Walter Scott, Ivanhoe oder Quentin Durward; Cooper, Der Spion; Dickens, David Copperfield; Willibald Alexis, Die Hosen des Herrn von Bredow.
Roswitha las den Zettel durch und schnitt in der anderen Stube die letzte Zeile fort; sie genierte sich ihret- und ihrer Frau wegen, den Zettel in seiner ursprünglichen Gestalt abzugeben.
Ohne besondere Vorkommnisse verging der Tag. Am andern Morgen war es nicht besser und am dritten auch nicht.
"Effi, das geht so nicht länger. Wenn so 'was
Effi Brieſt
Punkte ſtehe ſie ganz zu der jungen Schule: tüchtig eſſen.
Effi ſog ſich nicht wenig Troſt aus dieſen An¬ ſchauungen, ſchrieb ein Telegramm an Innſtetten, worin ſie von dem „leidigen Zwiſchenfall“ und einer ärgerlichen, aber doch nur momentanen Behinderung ſprach, und ſagte dann zu Roswitha: „Roswitha, Du mußt mir nun auch Bücher beſorgen; es wird nicht ſchwer halten, ich will alte, ganz alte.“
„Gewiß, gnäd'ge Frau. Die Leihbibliothek iſt ja gleich hier nebenan. Was ſoll ich beſorgen?“
„Ich will es aufſchreiben, allerlei zur Auswahl, denn mitunter haben ſie nicht das eine, was man grade haben will.“ Roswitha brachte Bleiſtift und Papier, und Effi ſchrieb auf: Walter Scott, Ivanhoe oder Quentin Durward; Cooper, Der Spion; Dickens, David Copperfield; Willibald Alexis, Die Hoſen des Herrn von Bredow.
Roswitha las den Zettel durch und ſchnitt in der anderen Stube die letzte Zeile fort; ſie genierte ſich ihret- und ihrer Frau wegen, den Zettel in ſeiner urſprünglichen Geſtalt abzugeben.
Ohne beſondere Vorkommniſſe verging der Tag. Am andern Morgen war es nicht beſſer und am dritten auch nicht.
„Effi, das geht ſo nicht länger. Wenn ſo 'was
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Effi Brieſt
Punkte ſtehe ſie ganz zu der jungen Schule: tüchtig
eſſen.
Effi ſog ſich nicht wenig Troſt aus dieſen An¬
ſchauungen, ſchrieb ein Telegramm an Innſtetten,
worin ſie von dem „leidigen Zwiſchenfall“ und einer
ärgerlichen, aber doch nur momentanen Behinderung
ſprach, und ſagte dann zu Roswitha: „Roswitha,
Du mußt mir nun auch Bücher beſorgen; es wird
nicht ſchwer halten, ich will alte, ganz alte.“
„Gewiß, gnäd'ge Frau. Die Leihbibliothek iſt
ja gleich hier nebenan. Was ſoll ich beſorgen?“
„Ich will es aufſchreiben, allerlei zur Auswahl,
denn mitunter haben ſie nicht das eine, was man
grade haben will.“ Roswitha brachte Bleiſtift und
Papier, und Effi ſchrieb auf: Walter Scott, Ivanhoe
oder Quentin Durward; Cooper, Der Spion; Dickens,
David Copperfield; Willibald Alexis, Die Hoſen des
Herrn von Bredow.
Roswitha las den Zettel durch und ſchnitt in
der anderen Stube die letzte Zeile fort; ſie genierte
ſich ihret- und ihrer Frau wegen, den Zettel in
ſeiner urſprünglichen Geſtalt abzugeben.
Ohne beſondere Vorkommniſſe verging der Tag.
Am andern Morgen war es nicht beſſer und am
dritten auch nicht.
„Effi, das geht ſo nicht länger. Wenn ſo 'was
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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