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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Sie mietete denselben Vormittag noch und schrieb
eine Karte an Innstetten, daß sie den nächsten Tag
zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich
die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen.
Als dann aber der andere Morgen da war, ließ
Effi die Mama an ihr Bett rufen und sagte: "Mama,
ich kann nicht reisen. Ich habe ein solches Reißen
und Ziehen, es schmerzt mich über den ganzen Rücken
hin, und ich glaube beinah, es ist ein Rheumatismus.
Ich hätte nicht gedacht, daß das so schmerzhaft sei."

"Siehst Du, was ich Dir gesagt habe; man
soll den Teufel nicht an die Wand malen. Gestern
hast Du noch leichtsinnig darüber gesprochen, und
heute ist es schon da. Wenn ich Schweigger sehe,
werde ich ihn fragen, was Du thun sollst."

"Nein, nicht Schweigger. Der ist ja ein Spezialist.
Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen,
in so was anderem zu Rate gezogen zu werden.
Ich denke, das beste ist, wir warten es ab. Es kann
ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag
über von Thee und Sodawasser leben, und wenn
ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin."

Frau von Briest drückte ihre Zustimmung aus,
bestand aber darauf, daß sie sich gut verpflege. Daß
man nichts genießen müsse, wie das früher Mode
war, das sei ganz falsch und schwäche bloß; in diesem

Effi Brieſt
Sie mietete denſelben Vormittag noch und ſchrieb
eine Karte an Innſtetten, daß ſie den nächſten Tag
zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich
die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen.
Als dann aber der andere Morgen da war, ließ
Effi die Mama an ihr Bett rufen und ſagte: „Mama,
ich kann nicht reiſen. Ich habe ein ſolches Reißen
und Ziehen, es ſchmerzt mich über den ganzen Rücken
hin, und ich glaube beinah, es iſt ein Rheumatismus.
Ich hätte nicht gedacht, daß das ſo ſchmerzhaft ſei.“

„Siehſt Du, was ich Dir geſagt habe; man
ſoll den Teufel nicht an die Wand malen. Geſtern
haſt Du noch leichtſinnig darüber geſprochen, und
heute iſt es ſchon da. Wenn ich Schweigger ſehe,
werde ich ihn fragen, was Du thun ſollſt.“

„Nein, nicht Schweigger. Der iſt ja ein Spezialiſt.
Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen,
in ſo was anderem zu Rate gezogen zu werden.
Ich denke, das beſte iſt, wir warten es ab. Es kann
ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag
über von Thee und Sodawaſſer leben, und wenn
ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin.“

Frau von Brieſt drückte ihre Zuſtimmung aus,
beſtand aber darauf, daß ſie ſich gut verpflege. Daß
man nichts genießen müſſe, wie das früher Mode
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[344/0353] Effi Brieſt Sie mietete denſelben Vormittag noch und ſchrieb eine Karte an Innſtetten, daß ſie den nächſten Tag zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen. Als dann aber der andere Morgen da war, ließ Effi die Mama an ihr Bett rufen und ſagte: „Mama, ich kann nicht reiſen. Ich habe ein ſolches Reißen und Ziehen, es ſchmerzt mich über den ganzen Rücken hin, und ich glaube beinah, es iſt ein Rheumatismus. Ich hätte nicht gedacht, daß das ſo ſchmerzhaft ſei.“ „Siehſt Du, was ich Dir geſagt habe; man ſoll den Teufel nicht an die Wand malen. Geſtern haſt Du noch leichtſinnig darüber geſprochen, und heute iſt es ſchon da. Wenn ich Schweigger ſehe, werde ich ihn fragen, was Du thun ſollſt.“ „Nein, nicht Schweigger. Der iſt ja ein Spezialiſt. Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen, in ſo was anderem zu Rate gezogen zu werden. Ich denke, das beſte iſt, wir warten es ab. Es kann ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag über von Thee und Sodawaſſer leben, und wenn ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin.“ Frau von Brieſt drückte ihre Zuſtimmung aus, beſtand aber darauf, daß ſie ſich gut verpflege. Daß man nichts genießen müſſe, wie das früher Mode war, das ſei ganz falſch und ſchwäche bloß; in dieſem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/353>, abgerufen am 16.07.2024.