Sie mietete denselben Vormittag noch und schrieb eine Karte an Innstetten, daß sie den nächsten Tag zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen. Als dann aber der andere Morgen da war, ließ Effi die Mama an ihr Bett rufen und sagte: "Mama, ich kann nicht reisen. Ich habe ein solches Reißen und Ziehen, es schmerzt mich über den ganzen Rücken hin, und ich glaube beinah, es ist ein Rheumatismus. Ich hätte nicht gedacht, daß das so schmerzhaft sei."
"Siehst Du, was ich Dir gesagt habe; man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Gestern hast Du noch leichtsinnig darüber gesprochen, und heute ist es schon da. Wenn ich Schweigger sehe, werde ich ihn fragen, was Du thun sollst."
"Nein, nicht Schweigger. Der ist ja ein Spezialist. Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen, in so was anderem zu Rate gezogen zu werden. Ich denke, das beste ist, wir warten es ab. Es kann ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag über von Thee und Sodawasser leben, und wenn ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin."
Frau von Briest drückte ihre Zustimmung aus, bestand aber darauf, daß sie sich gut verpflege. Daß man nichts genießen müsse, wie das früher Mode war, das sei ganz falsch und schwäche bloß; in diesem
Effi Brieſt
Sie mietete denſelben Vormittag noch und ſchrieb eine Karte an Innſtetten, daß ſie den nächſten Tag zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen. Als dann aber der andere Morgen da war, ließ Effi die Mama an ihr Bett rufen und ſagte: „Mama, ich kann nicht reiſen. Ich habe ein ſolches Reißen und Ziehen, es ſchmerzt mich über den ganzen Rücken hin, und ich glaube beinah, es iſt ein Rheumatismus. Ich hätte nicht gedacht, daß das ſo ſchmerzhaft ſei.“
„Siehſt Du, was ich Dir geſagt habe; man ſoll den Teufel nicht an die Wand malen. Geſtern haſt Du noch leichtſinnig darüber geſprochen, und heute iſt es ſchon da. Wenn ich Schweigger ſehe, werde ich ihn fragen, was Du thun ſollſt.“
„Nein, nicht Schweigger. Der iſt ja ein Spezialiſt. Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen, in ſo was anderem zu Rate gezogen zu werden. Ich denke, das beſte iſt, wir warten es ab. Es kann ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag über von Thee und Sodawaſſer leben, und wenn ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin.“
Frau von Brieſt drückte ihre Zuſtimmung aus, beſtand aber darauf, daß ſie ſich gut verpflege. Daß man nichts genießen müſſe, wie das früher Mode war, das ſei ganz falſch und ſchwäche bloß; in dieſem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0353"n="344"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> Sie mietete denſelben Vormittag noch und ſchrieb<lb/>
eine Karte an Innſtetten, daß ſie den nächſten Tag<lb/>
zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich<lb/>
die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen.<lb/>
Als dann aber der andere Morgen da war, ließ<lb/>
Effi die Mama an ihr Bett rufen und ſagte: „Mama,<lb/>
ich kann nicht reiſen. Ich habe ein ſolches Reißen<lb/>
und Ziehen, es ſchmerzt mich über den ganzen Rücken<lb/>
hin, und ich glaube beinah, es iſt ein Rheumatismus.<lb/>
Ich hätte nicht gedacht, daß das ſo ſchmerzhaft ſei.“</p><lb/><p>„Siehſt Du, was ich Dir geſagt habe; man<lb/>ſoll den Teufel nicht an die Wand malen. Geſtern<lb/>
haſt Du noch leichtſinnig darüber geſprochen, und<lb/>
heute iſt es ſchon da. Wenn ich Schweigger ſehe,<lb/>
werde ich ihn fragen, was Du thun ſollſt.“</p><lb/><p>„Nein, nicht Schweigger. Der iſt ja ein Spezialiſt.<lb/>
Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen,<lb/>
in ſo was anderem zu Rate gezogen zu werden.<lb/>
Ich denke, das beſte iſt, wir warten es ab. Es kann<lb/>
ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag<lb/>
über von Thee und Sodawaſſer leben, und wenn<lb/>
ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin.“</p><lb/><p>Frau von Brieſt drückte ihre Zuſtimmung aus,<lb/>
beſtand aber darauf, daß ſie ſich gut verpflege. Daß<lb/>
man nichts genießen müſſe, wie das früher Mode<lb/>
war, das ſei ganz falſch und ſchwäche bloß; in dieſem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[344/0353]
Effi Brieſt
Sie mietete denſelben Vormittag noch und ſchrieb
eine Karte an Innſtetten, daß ſie den nächſten Tag
zurückwolle. Gleich danach wurden auch wirklich
die Koffer gepackt und alle Vorbereitungen getroffen.
Als dann aber der andere Morgen da war, ließ
Effi die Mama an ihr Bett rufen und ſagte: „Mama,
ich kann nicht reiſen. Ich habe ein ſolches Reißen
und Ziehen, es ſchmerzt mich über den ganzen Rücken
hin, und ich glaube beinah, es iſt ein Rheumatismus.
Ich hätte nicht gedacht, daß das ſo ſchmerzhaft ſei.“
„Siehſt Du, was ich Dir geſagt habe; man
ſoll den Teufel nicht an die Wand malen. Geſtern
haſt Du noch leichtſinnig darüber geſprochen, und
heute iſt es ſchon da. Wenn ich Schweigger ſehe,
werde ich ihn fragen, was Du thun ſollſt.“
„Nein, nicht Schweigger. Der iſt ja ein Spezialiſt.
Das geht nicht und er könnt' es am Ende übelnehmen,
in ſo was anderem zu Rate gezogen zu werden.
Ich denke, das beſte iſt, wir warten es ab. Es kann
ja auch vorübergehen. Ich werde den ganzen Tag
über von Thee und Sodawaſſer leben, und wenn
ich dann transpiriere, komm' ich vielleicht d'rüber hin.“
Frau von Brieſt drückte ihre Zuſtimmung aus,
beſtand aber darauf, daß ſie ſich gut verpflege. Daß
man nichts genießen müſſe, wie das früher Mode
war, das ſei ganz falſch und ſchwäche bloß; in dieſem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/353>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.