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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
werden. Aber was dann? Bis zum Umzuge nach
Berlin waren immer noch drei Wochen, und Inn¬
stetten drang auf rasche Rückkehr. Es gab also nur
ein Mittel: sie mußte wieder eine Komödie spielen,
mußte krank werden.

Das kam ihr aus mehr als einem Grunde nicht
leicht an; aber es mußte sein, und als ihr das fest¬
stand, stand ihr auch fest, wie die Rolle, bis in die
kleinsten Einzelheiten hinein, gespielt werden müsse.

"Mama, Innstetten, wie Du siehst, wird über
mein Ausbleiben empfindlich. Ich denke, wir geben
also nach und mieten heute noch. Und morgen
reise ich. Ach, es wird mir so schwer, mich von Dir
zu trennen."

Frau von Briest war einverstanden. "Und
welche Wohnung wirst Du wählen?"

"Natürlich die erste, die in der Keithstraße, die
mir von Anfang an so gut gefiel und Dir auch.
Sie wird wohl noch nicht ganz ausgetrocknet sein,
aber es ist ja das Sommerhalbjahr, was einiger¬
maßen ein Trost ist. Und wird es mit der Feuchtig¬
keit zu arg und kommt ein bißchen Rheumatismus,
so hab' ich ja schließlich immer noch Hohen-Cremmen."

"Kind, beruf' es nicht; ein Rheumatismus ist
mitunter da, man weiß nicht wie."

Diese Worte der Mama kamen Effi sehr zu paß.

Effi Brieſt
werden. Aber was dann? Bis zum Umzuge nach
Berlin waren immer noch drei Wochen, und Inn¬
ſtetten drang auf raſche Rückkehr. Es gab alſo nur
ein Mittel: ſie mußte wieder eine Komödie ſpielen,
mußte krank werden.

Das kam ihr aus mehr als einem Grunde nicht
leicht an; aber es mußte ſein, und als ihr das feſt¬
ſtand, ſtand ihr auch feſt, wie die Rolle, bis in die
kleinſten Einzelheiten hinein, geſpielt werden müſſe.

„Mama, Innſtetten, wie Du ſiehſt, wird über
mein Ausbleiben empfindlich. Ich denke, wir geben
alſo nach und mieten heute noch. Und morgen
reiſe ich. Ach, es wird mir ſo ſchwer, mich von Dir
zu trennen.“

Frau von Brieſt war einverſtanden. „Und
welche Wohnung wirſt Du wählen?“

„Natürlich die erſte, die in der Keithſtraße, die
mir von Anfang an ſo gut gefiel und Dir auch.
Sie wird wohl noch nicht ganz ausgetrocknet ſein,
aber es iſt ja das Sommerhalbjahr, was einiger¬
maßen ein Troſt iſt. Und wird es mit der Feuchtig¬
keit zu arg und kommt ein bißchen Rheumatismus,
ſo hab' ich ja ſchließlich immer noch Hohen-Cremmen.“

„Kind, beruf' es nicht; ein Rheumatismus iſt
mitunter da, man weiß nicht wie.“

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[343/0352] Effi Brieſt werden. Aber was dann? Bis zum Umzuge nach Berlin waren immer noch drei Wochen, und Inn¬ ſtetten drang auf raſche Rückkehr. Es gab alſo nur ein Mittel: ſie mußte wieder eine Komödie ſpielen, mußte krank werden. Das kam ihr aus mehr als einem Grunde nicht leicht an; aber es mußte ſein, und als ihr das feſt¬ ſtand, ſtand ihr auch feſt, wie die Rolle, bis in die kleinſten Einzelheiten hinein, geſpielt werden müſſe. „Mama, Innſtetten, wie Du ſiehſt, wird über mein Ausbleiben empfindlich. Ich denke, wir geben alſo nach und mieten heute noch. Und morgen reiſe ich. Ach, es wird mir ſo ſchwer, mich von Dir zu trennen.“ Frau von Brieſt war einverſtanden. „Und welche Wohnung wirſt Du wählen?“ „Natürlich die erſte, die in der Keithſtraße, die mir von Anfang an ſo gut gefiel und Dir auch. Sie wird wohl noch nicht ganz ausgetrocknet ſein, aber es iſt ja das Sommerhalbjahr, was einiger¬ maßen ein Troſt iſt. Und wird es mit der Feuchtig¬ keit zu arg und kommt ein bißchen Rheumatismus, ſo hab' ich ja ſchließlich immer noch Hohen-Cremmen.“ „Kind, beruf' es nicht; ein Rheumatismus iſt mitunter da, man weiß nicht wie.“ Dieſe Worte der Mama kamen Effi ſehr zu paß.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/352>, abgerufen am 22.11.2024.