Die nächsten Tage nahmen einen ähnlichen Ver¬ lauf; man war aufrichtig erfreut, sich wieder zu haben und nach so langer Zeit wieder ausgiebig mit einander plaudern zu können. Effi, die sich nicht bloß auf Zuhören und Erzählen, sondern, wenn ihr am wohlsten war, auch auf Medisieren ganz vor¬ züglich verstand, geriet mehr als einmal in ihren alten Übermut, und die Mama schrieb nach Hause, wie glücklich sie sei, das ,Kind' wieder so heiter und lachlustig zu finden; es wiederhole sich ihnen allen die schöne Zeit von vor fast zwei Jahren, wo man die Ausstattung besorgt habe. Auch Vetter Briest sei ganz der Alte. Das war nun auch wirklich der Fall, nur mit dem Unterschiede, daß er sich seltener sehen ließ, als vordem, und auf die Frage nach dem ,Warum' anscheinend ernsthaft versicherte: "Du bist mir zu gefährlich, Cousine." Das gab dann jedes¬ mal ein Lachen bei Mutter und Tochter, und Effi sagte: "Dagobert, Du bist freilich noch sehr jung, aber zu solcher Form des Courmachens doch nicht mehr jung genug."
So waren schon beinah vierzehn Tage vergangen. Innstetten schrieb immer dringlicher und wurde ziem¬ lich spitz, fast auch gegen die Schwiegermama, so daß Effi einsah, ein weiteres Hinausschieben sei nicht mehr gut möglich, und es müsse nun wirklich gemietet
Effi Brieſt
Die nächſten Tage nahmen einen ähnlichen Ver¬ lauf; man war aufrichtig erfreut, ſich wieder zu haben und nach ſo langer Zeit wieder ausgiebig mit einander plaudern zu können. Effi, die ſich nicht bloß auf Zuhören und Erzählen, ſondern, wenn ihr am wohlſten war, auch auf Mediſieren ganz vor¬ züglich verſtand, geriet mehr als einmal in ihren alten Übermut, und die Mama ſchrieb nach Hauſe, wie glücklich ſie ſei, das ‚Kind‘ wieder ſo heiter und lachluſtig zu finden; es wiederhole ſich ihnen allen die ſchöne Zeit von vor faſt zwei Jahren, wo man die Ausſtattung beſorgt habe. Auch Vetter Brieſt ſei ganz der Alte. Das war nun auch wirklich der Fall, nur mit dem Unterſchiede, daß er ſich ſeltener ſehen ließ, als vordem, und auf die Frage nach dem ‚Warum‘ anſcheinend ernſthaft verſicherte: „Du biſt mir zu gefährlich, Couſine.“ Das gab dann jedes¬ mal ein Lachen bei Mutter und Tochter, und Effi ſagte: „Dagobert, Du biſt freilich noch ſehr jung, aber zu ſolcher Form des Courmachens doch nicht mehr jung genug.“
So waren ſchon beinah vierzehn Tage vergangen. Innſtetten ſchrieb immer dringlicher und wurde ziem¬ lich ſpitz, faſt auch gegen die Schwiegermama, ſo daß Effi einſah, ein weiteres Hinausſchieben ſei nicht mehr gut möglich, und es müſſe nun wirklich gemietet
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Effi Brieſt
Die nächſten Tage nahmen einen ähnlichen Ver¬
lauf; man war aufrichtig erfreut, ſich wieder zu
haben und nach ſo langer Zeit wieder ausgiebig
mit einander plaudern zu können. Effi, die ſich
nicht bloß auf Zuhören und Erzählen, ſondern, wenn
ihr am wohlſten war, auch auf Mediſieren ganz vor¬
züglich verſtand, geriet mehr als einmal in ihren
alten Übermut, und die Mama ſchrieb nach Hauſe,
wie glücklich ſie ſei, das ‚Kind‘ wieder ſo heiter und
lachluſtig zu finden; es wiederhole ſich ihnen allen
die ſchöne Zeit von vor faſt zwei Jahren, wo man
die Ausſtattung beſorgt habe. Auch Vetter Brieſt ſei
ganz der Alte. Das war nun auch wirklich der
Fall, nur mit dem Unterſchiede, daß er ſich ſeltener
ſehen ließ, als vordem, und auf die Frage nach dem
‚Warum‘ anſcheinend ernſthaft verſicherte: „Du biſt
mir zu gefährlich, Couſine.“ Das gab dann jedes¬
mal ein Lachen bei Mutter und Tochter, und Effi
ſagte: „Dagobert, Du biſt freilich noch ſehr jung, aber
zu ſolcher Form des Courmachens doch nicht mehr
jung genug.“
So waren ſchon beinah vierzehn Tage vergangen.
Innſtetten ſchrieb immer dringlicher und wurde ziem¬
lich ſpitz, faſt auch gegen die Schwiegermama, ſo daß
Effi einſah, ein weiteres Hinausſchieben ſei nicht mehr
gut möglich, und es müſſe nun wirklich gemietet
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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