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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
merkt, daß er ihrer Komödie mit einer Komödie be¬
gegnet war. Er war offenbar ein überaus lebens¬
gewandter Herr, der alles recht gut sah, aber nicht
alles sehen wollte, vielleicht weil er wußte, daß der¬
gleichen auch 'mal zu respektieren sein könne. Denn
gab es nicht zu respektierende Komödien, war nicht
die, die sie selber spielte, eine solche?

Bald danach kam die Mama zurück, und Mutter
und Tochter ergingen sich in Lobeserhebungen über
den feinen alten Herrn, der trotz seiner beinah Siebzig
noch etwas Jugendliches habe. "Schicke nur gleich
Roswitha nach der Apotheke ... Du sollst aber
nur alle drei Stunden nehmen, hat er mir draußen
noch eigens gesagt. So war er schon damals, er
verschrieb nicht oft und nicht viel; aber immer
Energisches, und es half auch gleich."


Rummschüttel kam den zweiten Tag und dann
jeden dritten, weil er sah, welche Verlegenheit sein
Kommen der jungen Frau bereitete. Dies nahm ihn
für sie ein, und sein Urteil stand ihm nach dem
dritten Besuche fest: "Hier liegt etwas vor, was
die Frau zwingt, so zu handeln, wie sie handelt."
Über solche Dinge den Empfindlichen zu spielen, lag
längst hinter ihm.

Als Rummschüttel seinen vierten Besuch machte,

Effi Brieſt
merkt, daß er ihrer Komödie mit einer Komödie be¬
gegnet war. Er war offenbar ein überaus lebens¬
gewandter Herr, der alles recht gut ſah, aber nicht
alles ſehen wollte, vielleicht weil er wußte, daß der¬
gleichen auch 'mal zu reſpektieren ſein könne. Denn
gab es nicht zu reſpektierende Komödien, war nicht
die, die ſie ſelber ſpielte, eine ſolche?

Bald danach kam die Mama zurück, und Mutter
und Tochter ergingen ſich in Lobeserhebungen über
den feinen alten Herrn, der trotz ſeiner beinah Siebzig
noch etwas Jugendliches habe. „Schicke nur gleich
Roswitha nach der Apotheke … Du ſollſt aber
nur alle drei Stunden nehmen, hat er mir draußen
noch eigens geſagt. So war er ſchon damals, er
verſchrieb nicht oft und nicht viel; aber immer
Energiſches, und es half auch gleich.“


Rummſchüttel kam den zweiten Tag und dann
jeden dritten, weil er ſah, welche Verlegenheit ſein
Kommen der jungen Frau bereitete. Dies nahm ihn
für ſie ein, und ſein Urteil ſtand ihm nach dem
dritten Beſuche feſt: „Hier liegt etwas vor, was
die Frau zwingt, ſo zu handeln, wie ſie handelt.“
Über ſolche Dinge den Empfindlichen zu ſpielen, lag
längſt hinter ihm.

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[349/0358] Effi Brieſt merkt, daß er ihrer Komödie mit einer Komödie be¬ gegnet war. Er war offenbar ein überaus lebens¬ gewandter Herr, der alles recht gut ſah, aber nicht alles ſehen wollte, vielleicht weil er wußte, daß der¬ gleichen auch 'mal zu reſpektieren ſein könne. Denn gab es nicht zu reſpektierende Komödien, war nicht die, die ſie ſelber ſpielte, eine ſolche? Bald danach kam die Mama zurück, und Mutter und Tochter ergingen ſich in Lobeserhebungen über den feinen alten Herrn, der trotz ſeiner beinah Siebzig noch etwas Jugendliches habe. „Schicke nur gleich Roswitha nach der Apotheke … Du ſollſt aber nur alle drei Stunden nehmen, hat er mir draußen noch eigens geſagt. So war er ſchon damals, er verſchrieb nicht oft und nicht viel; aber immer Energiſches, und es half auch gleich.“ Rummſchüttel kam den zweiten Tag und dann jeden dritten, weil er ſah, welche Verlegenheit ſein Kommen der jungen Frau bereitete. Dies nahm ihn für ſie ein, und ſein Urteil ſtand ihm nach dem dritten Beſuche feſt: „Hier liegt etwas vor, was die Frau zwingt, ſo zu handeln, wie ſie handelt.“ Über ſolche Dinge den Empfindlichen zu ſpielen, lag längſt hinter ihm. Als Rummſchüttel ſeinen vierten Beſuch machte,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/358>, abgerufen am 22.11.2024.