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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
fand er Effi auf, in einem Schaukelstuhl sitzend, ein
Buch in der Hand, Annie neben ihr.

"Ah, meine gnädigste Frau! Hocherfreut. Ich
schiebe es nicht auf die Arznei; das schöne Wetter,
die hellen, frischen Märztage, da fällt die Krankheit
ab. Ich beglückwünsche Sie. Und die Frau Mama?"

"Sie ist ausgegangen, Herr Geheimrat, in die
Keithstraße, wo wir gemietet haben. Ich erwarte nun
innerhalb weniger Tage meinen Mann, den ich mich,
wenn in unserer Wohnung erst alles in Ordnung
sein wird, herzlich freue, Ihnen vorstellen zu können.
Denn ich darf doch wohl hoffen, daß Sie auch in
Zukunft sich meiner annehmen werden."

Er verbeugte sich.

"Die neue Wohnung," fuhr sie fort, "ein Neu¬
bau, macht mir freilich Sorge. Glauben Sie, Herr
Geheimrat, daß die feuchten Wände ..."

"Nicht im geringsten, meine gnädigste Frau.
Lassen Sie drei, vier Tage lang tüchtig heizen und
immer Thüren und Fenster auf, da können Sie's
wagen, auf meine Verantwortung. Und mit Ihrer
Neuralgie, das war nicht von solcher Bedeutung.
Aber ich freue mich Ihrer Vorsicht, die mir Gelegen¬
heit gegeben hat, eine alte Bekanntschaft zu erneuern
und eine neue zu machen."

Er wiederholte seine Verbeugung, sah noch Annie

Effi Brieſt
fand er Effi auf, in einem Schaukelſtuhl ſitzend, ein
Buch in der Hand, Annie neben ihr.

„Ah, meine gnädigſte Frau! Hocherfreut. Ich
ſchiebe es nicht auf die Arznei; das ſchöne Wetter,
die hellen, friſchen Märztage, da fällt die Krankheit
ab. Ich beglückwünſche Sie. Und die Frau Mama?“

„Sie iſt ausgegangen, Herr Geheimrat, in die
Keithſtraße, wo wir gemietet haben. Ich erwarte nun
innerhalb weniger Tage meinen Mann, den ich mich,
wenn in unſerer Wohnung erſt alles in Ordnung
ſein wird, herzlich freue, Ihnen vorſtellen zu können.
Denn ich darf doch wohl hoffen, daß Sie auch in
Zukunft ſich meiner annehmen werden.“

Er verbeugte ſich.

„Die neue Wohnung,“ fuhr ſie fort, „ein Neu¬
bau, macht mir freilich Sorge. Glauben Sie, Herr
Geheimrat, daß die feuchten Wände …“

„Nicht im geringſten, meine gnädigſte Frau.
Laſſen Sie drei, vier Tage lang tüchtig heizen und
immer Thüren und Fenſter auf, da können Sie's
wagen, auf meine Verantwortung. Und mit Ihrer
Neuralgie, das war nicht von ſolcher Bedeutung.
Aber ich freue mich Ihrer Vorſicht, die mir Gelegen¬
heit gegeben hat, eine alte Bekanntſchaft zu erneuern
und eine neue zu machen.“

Er wiederholte ſeine Verbeugung, ſah noch Annie

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[350/0359] Effi Brieſt fand er Effi auf, in einem Schaukelſtuhl ſitzend, ein Buch in der Hand, Annie neben ihr. „Ah, meine gnädigſte Frau! Hocherfreut. Ich ſchiebe es nicht auf die Arznei; das ſchöne Wetter, die hellen, friſchen Märztage, da fällt die Krankheit ab. Ich beglückwünſche Sie. Und die Frau Mama?“ „Sie iſt ausgegangen, Herr Geheimrat, in die Keithſtraße, wo wir gemietet haben. Ich erwarte nun innerhalb weniger Tage meinen Mann, den ich mich, wenn in unſerer Wohnung erſt alles in Ordnung ſein wird, herzlich freue, Ihnen vorſtellen zu können. Denn ich darf doch wohl hoffen, daß Sie auch in Zukunft ſich meiner annehmen werden.“ Er verbeugte ſich. „Die neue Wohnung,“ fuhr ſie fort, „ein Neu¬ bau, macht mir freilich Sorge. Glauben Sie, Herr Geheimrat, daß die feuchten Wände …“ „Nicht im geringſten, meine gnädigſte Frau. Laſſen Sie drei, vier Tage lang tüchtig heizen und immer Thüren und Fenſter auf, da können Sie's wagen, auf meine Verantwortung. Und mit Ihrer Neuralgie, das war nicht von ſolcher Bedeutung. Aber ich freue mich Ihrer Vorſicht, die mir Gelegen¬ heit gegeben hat, eine alte Bekanntſchaft zu erneuern und eine neue zu machen.“ Er wiederholte ſeine Verbeugung, ſah noch Annie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/359>, abgerufen am 22.11.2024.