gelaufen war, Effi blieb aber noch eine Woche länger und sprach es aus, erst zum dritten Oktober, ihrem Hochzeitstage, wieder zu Haus eintreffen zu wollen.
Annie war in der Landluft prächtig gediehen, und was Roswitha geplant hatte, daß sie der Mama in Stiefelchen entgegen laufen sollte, das gelang auch vollkommen. Briest gab sich als zärtlicher Gro߬ vater, warnte vor zu viel Liebe, noch mehr vor zu viel Strenge, und war in allem der alte. Eigent¬ lich aber galt all' seine Zärtlichkeit doch nur Effi, mit der er sich in seinem Gemüt immer beschäftigte, zumeist auch, wenn er mit seiner Frau allein war.
"Wie findest Du Effi?"
"Lieb und gut wie immer. Wir können Gott nicht genug danken, eine so liebenswürdige Tochter zu haben. Und wie dankbar sie für alles ist und immer so glücklich, wieder unter unserm Dach zu sein."
"Ja," sagte Briest, "sie hat von dieser Tugend mehr als mir lieb ist. Eigentlich ist es, als wäre dies hier immer noch ihre Heimstätte. Sie hat doch den Mann und das Kind, und der Mann ist ein Juwel und das Kind ist ein Engel, aber dabei thut sie als wäre Hohen-Cremmen immer noch die Hauptsache für sie, und Mann und Kind kämen gegen uns beide nicht an. Sie ist eine prächtige Tochter, aber sie ist es mir zu sehr. Es ängstigt
Effi Brieſt
gelaufen war, Effi blieb aber noch eine Woche länger und ſprach es aus, erſt zum dritten Oktober, ihrem Hochzeitstage, wieder zu Haus eintreffen zu wollen.
Annie war in der Landluft prächtig gediehen, und was Roswitha geplant hatte, daß ſie der Mama in Stiefelchen entgegen laufen ſollte, das gelang auch vollkommen. Brieſt gab ſich als zärtlicher Gro߬ vater, warnte vor zu viel Liebe, noch mehr vor zu viel Strenge, und war in allem der alte. Eigent¬ lich aber galt all' ſeine Zärtlichkeit doch nur Effi, mit der er ſich in ſeinem Gemüt immer beſchäftigte, zumeiſt auch, wenn er mit ſeiner Frau allein war.
„Wie findeſt Du Effi?“
„Lieb und gut wie immer. Wir können Gott nicht genug danken, eine ſo liebenswürdige Tochter zu haben. Und wie dankbar ſie für alles iſt und immer ſo glücklich, wieder unter unſerm Dach zu ſein.“
„Ja,“ ſagte Brieſt, „ſie hat von dieſer Tugend mehr als mir lieb iſt. Eigentlich iſt es, als wäre dies hier immer noch ihre Heimſtätte. Sie hat doch den Mann und das Kind, und der Mann iſt ein Juwel und das Kind iſt ein Engel, aber dabei thut ſie als wäre Hohen-Cremmen immer noch die Hauptſache für ſie, und Mann und Kind kämen gegen uns beide nicht an. Sie iſt eine prächtige Tochter, aber ſie iſt es mir zu ſehr. Es ängſtigt
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Effi Brieſt
gelaufen war, Effi blieb aber noch eine Woche länger
und ſprach es aus, erſt zum dritten Oktober, ihrem
Hochzeitstage, wieder zu Haus eintreffen zu wollen.
Annie war in der Landluft prächtig gediehen,
und was Roswitha geplant hatte, daß ſie der Mama
in Stiefelchen entgegen laufen ſollte, das gelang auch
vollkommen. Brieſt gab ſich als zärtlicher Gro߬
vater, warnte vor zu viel Liebe, noch mehr vor zu
viel Strenge, und war in allem der alte. Eigent¬
lich aber galt all' ſeine Zärtlichkeit doch nur Effi,
mit der er ſich in ſeinem Gemüt immer beſchäftigte,
zumeiſt auch, wenn er mit ſeiner Frau allein war.
„Wie findeſt Du Effi?“
„Lieb und gut wie immer. Wir können Gott
nicht genug danken, eine ſo liebenswürdige Tochter
zu haben. Und wie dankbar ſie für alles iſt und
immer ſo glücklich, wieder unter unſerm Dach zu ſein.“
„Ja,“ ſagte Brieſt, „ſie hat von dieſer Tugend
mehr als mir lieb iſt. Eigentlich iſt es, als wäre
dies hier immer noch ihre Heimſtätte. Sie hat doch
den Mann und das Kind, und der Mann iſt ein
Juwel und das Kind iſt ein Engel, aber dabei thut
ſie als wäre Hohen-Cremmen immer noch die
Hauptſache für ſie, und Mann und Kind kämen
gegen uns beide nicht an. Sie iſt eine prächtige
Tochter, aber ſie iſt es mir zu ſehr. Es ängſtigt
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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