Crampas, von dem Chinesen und Kapitän Thomsen's Nichte frei und unbefangen reden konnte.
"Sage, Roswitha, Du bist doch eigentlich katho¬ lisch. Gehst Du denn nie zur Beichte?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Ich bin früher gegangen. Aber das richtige hab' ich doch nicht gesagt."
"Das ist sehr unrecht. Dann freilich kann es nicht helfen."
"Ach, gnädigste Frau, bei mir im Dorfe machten es alle so. Und welche waren, die kicherten bloß."
"Hast Du denn nie empfunden, daß es ein Glück ist, wenn man etwas auf der Seele hat, daß es 'runter kann?"
"Nein, gnädigste Frau. Angst habe ich wohl gehabt, als mein Vater damals mit dem glühenden Eisen auf mich los kam; ja, das war eine große Furcht, aber weiter war es nichts."
"Nicht vor Gott?"
"Nicht so recht, gnädigste Frau. Wenn man sich vor seinem Vater so fürchtet, wie ich mich ge¬ fürchtet habe, dann fürchtet man sich nicht so sehr vor Gott. Ich habe bloß immer gedacht, der liebe Gott sei gut und werde mir armem Wurm schon helfen."
Effi Brieſt
Crampas, von dem Chineſen und Kapitän Thomſen's Nichte frei und unbefangen reden konnte.
„Sage, Roswitha, Du biſt doch eigentlich katho¬ liſch. Gehſt Du denn nie zur Beichte?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich bin früher gegangen. Aber das richtige hab' ich doch nicht geſagt.“
„Das iſt ſehr unrecht. Dann freilich kann es nicht helfen.“
„Ach, gnädigſte Frau, bei mir im Dorfe machten es alle ſo. Und welche waren, die kicherten bloß.“
„Haſt Du denn nie empfunden, daß es ein Glück iſt, wenn man etwas auf der Seele hat, daß es 'runter kann?“
„Nein, gnädigſte Frau. Angſt habe ich wohl gehabt, als mein Vater damals mit dem glühenden Eiſen auf mich los kam; ja, das war eine große Furcht, aber weiter war es nichts.“
„Nicht vor Gott?“
„Nicht ſo recht, gnädigſte Frau. Wenn man ſich vor ſeinem Vater ſo fürchtet, wie ich mich ge¬ fürchtet habe, dann fürchtet man ſich nicht ſo ſehr vor Gott. Ich habe bloß immer gedacht, der liebe Gott ſei gut und werde mir armem Wurm ſchon helfen.“
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Effi Brieſt
Crampas, von dem Chineſen und Kapitän Thomſen's
Nichte frei und unbefangen reden konnte.
„Sage, Roswitha, Du biſt doch eigentlich katho¬
liſch. Gehſt Du denn nie zur Beichte?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Ich bin früher gegangen. Aber das richtige
hab' ich doch nicht geſagt.“
„Das iſt ſehr unrecht. Dann freilich kann es
nicht helfen.“
„Ach, gnädigſte Frau, bei mir im Dorfe machten
es alle ſo. Und welche waren, die kicherten bloß.“
„Haſt Du denn nie empfunden, daß es ein
Glück iſt, wenn man etwas auf der Seele hat, daß
es 'runter kann?“
„Nein, gnädigſte Frau. Angſt habe ich wohl
gehabt, als mein Vater damals mit dem glühenden
Eiſen auf mich los kam; ja, das war eine große
Furcht, aber weiter war es nichts.“
„Nicht vor Gott?“
„Nicht ſo recht, gnädigſte Frau. Wenn man
ſich vor ſeinem Vater ſo fürchtet, wie ich mich ge¬
fürchtet habe, dann fürchtet man ſich nicht ſo ſehr
vor Gott. Ich habe bloß immer gedacht, der liebe
Gott ſei gut und werde mir armem Wurm ſchon
helfen.“
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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