Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest man denn das Kind aufs Sofa und begann, mitkaltem Wasser zu kühlen. Alles ging auch gut, so daß man sich zu beruhigen begann. "Und nun wollen wir sie verbinden," sagte schließlich Roswitha. "Da muß ja noch die lange Binde sein, die die gnädige Frau letzten Winter zuschnitt, als sie sich auf dem Eise den Fuß verknickt hatte ..." "Freilich, freilich," sagte Johanna, "bloß wo die Binde hernehmen? ... Richtig, da fällt mir ein, die liegt im Nähtisch. Er wird wohl zu sein, aber das Schloß ist Spielerei; holen Sie nur das Stemmeisen, Roswitha, wir wollen den Deckel aufbrechen." Und nun wuchteten sie auch wirklich den Deckel ab und begannen, in den Fächern umherzukramen, oben und unten, die zusammengerollte Binde jedoch wollte sich nicht finden lassen. "Ich weiß aber doch, daß ich sie gesehn habe," sagte Roswitha, und während sie halb ärgerlich immer weiter suchte, flog alles, was ihr dabei zu Händen kam, auf das breite Fensterbrett: Nähzeug, Nadelkissen, Rollen mit Zwirn und Seide, kleine vertrocknete Veilchensträußchen, Karten, Billets, zuletzt ein kleines Konvolut von Briefen, das unter dem dritten Einsatz gelegen hatte, ganz unten, mit einem roten Seidenfaden umwickelt. Aber die Binde hatte man noch immer nicht. In diesem Augenblicke trat Innstetten ein. "Gott," sagte Roswitha und stellte sich erschreckt Effi Brieſt man denn das Kind aufs Sofa und begann, mitkaltem Waſſer zu kühlen. Alles ging auch gut, ſo daß man ſich zu beruhigen begann. „Und nun wollen wir ſie verbinden,“ ſagte ſchließlich Roswitha. „Da muß ja noch die lange Binde ſein, die die gnädige Frau letzten Winter zuſchnitt, als ſie ſich auf dem Eiſe den Fuß verknickt hatte …“ „Freilich, freilich,“ ſagte Johanna, „bloß wo die Binde hernehmen? … Richtig, da fällt mir ein, die liegt im Nähtiſch. Er wird wohl zu ſein, aber das Schloß iſt Spielerei; holen Sie nur das Stemmeiſen, Roswitha, wir wollen den Deckel aufbrechen.“ Und nun wuchteten ſie auch wirklich den Deckel ab und begannen, in den Fächern umherzukramen, oben und unten, die zuſammengerollte Binde jedoch wollte ſich nicht finden laſſen. „Ich weiß aber doch, daß ich ſie geſehn habe,“ ſagte Roswitha, und während ſie halb ärgerlich immer weiter ſuchte, flog alles, was ihr dabei zu Händen kam, auf das breite Fenſterbrett: Nähzeug, Nadelkiſſen, Rollen mit Zwirn und Seide, kleine vertrocknete Veilchenſträußchen, Karten, Billets, zuletzt ein kleines Konvolut von Briefen, das unter dem dritten Einſatz gelegen hatte, ganz unten, mit einem roten Seidenfaden umwickelt. Aber die Binde hatte man noch immer nicht. In dieſem Augenblicke trat Innſtetten ein. „Gott,“ ſagte Roswitha und ſtellte ſich erſchreckt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0409" n="400"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>man denn das Kind aufs Sofa und begann, mit<lb/> kaltem Waſſer zu kühlen. Alles ging auch gut, ſo daß<lb/> man ſich zu beruhigen begann. „Und nun wollen<lb/> wir ſie verbinden,“ ſagte ſchließlich Roswitha. „Da<lb/> muß ja noch die lange Binde ſein, die die gnädige<lb/> Frau letzten Winter zuſchnitt, als ſie ſich auf dem<lb/> Eiſe den Fuß verknickt hatte …“ „Freilich, freilich,“<lb/> ſagte Johanna, „bloß wo die Binde hernehmen? …<lb/> Richtig, da fällt mir ein, die liegt im Nähtiſch. Er<lb/> wird wohl zu ſein, aber das Schloß iſt Spielerei;<lb/> holen Sie nur das Stemmeiſen, Roswitha, wir wollen<lb/> den Deckel aufbrechen.“ Und nun wuchteten ſie auch<lb/> wirklich den Deckel ab und begannen, in den Fächern<lb/> umherzukramen, oben und unten, die zuſammengerollte<lb/> Binde jedoch wollte ſich nicht finden laſſen. „Ich weiß<lb/> aber doch, daß ich ſie geſehn habe,“ ſagte Roswitha,<lb/> und während ſie halb ärgerlich immer weiter ſuchte,<lb/> flog alles, was ihr dabei zu Händen kam, auf das<lb/> breite Fenſterbrett: Nähzeug, Nadelkiſſen, Rollen mit<lb/> Zwirn und Seide, kleine vertrocknete Veilchenſträußchen,<lb/> Karten, Billets, zuletzt ein kleines <choice><sic>Kouvolut</sic><corr>Konvolut</corr></choice> von Briefen,<lb/> das unter dem dritten Einſatz gelegen hatte, ganz unten,<lb/> mit einem roten Seidenfaden umwickelt. Aber die<lb/> Binde hatte man noch immer nicht.</p><lb/> <p>In dieſem Augenblicke trat Innſtetten ein.</p><lb/> <p>„Gott,“ ſagte Roswitha und ſtellte ſich erſchreckt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [400/0409]
Effi Brieſt
man denn das Kind aufs Sofa und begann, mit
kaltem Waſſer zu kühlen. Alles ging auch gut, ſo daß
man ſich zu beruhigen begann. „Und nun wollen
wir ſie verbinden,“ ſagte ſchließlich Roswitha. „Da
muß ja noch die lange Binde ſein, die die gnädige
Frau letzten Winter zuſchnitt, als ſie ſich auf dem
Eiſe den Fuß verknickt hatte …“ „Freilich, freilich,“
ſagte Johanna, „bloß wo die Binde hernehmen? …
Richtig, da fällt mir ein, die liegt im Nähtiſch. Er
wird wohl zu ſein, aber das Schloß iſt Spielerei;
holen Sie nur das Stemmeiſen, Roswitha, wir wollen
den Deckel aufbrechen.“ Und nun wuchteten ſie auch
wirklich den Deckel ab und begannen, in den Fächern
umherzukramen, oben und unten, die zuſammengerollte
Binde jedoch wollte ſich nicht finden laſſen. „Ich weiß
aber doch, daß ich ſie geſehn habe,“ ſagte Roswitha,
und während ſie halb ärgerlich immer weiter ſuchte,
flog alles, was ihr dabei zu Händen kam, auf das
breite Fenſterbrett: Nähzeug, Nadelkiſſen, Rollen mit
Zwirn und Seide, kleine vertrocknete Veilchenſträußchen,
Karten, Billets, zuletzt ein kleines Konvolut von Briefen,
das unter dem dritten Einſatz gelegen hatte, ganz unten,
mit einem roten Seidenfaden umwickelt. Aber die
Binde hatte man noch immer nicht.
In dieſem Augenblicke trat Innſtetten ein.
„Gott,“ ſagte Roswitha und ſtellte ſich erſchreckt
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