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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Es war an einem Mittwoch, daß die Mädchen
und Annie das vorstehende Gespräch geführt und
den Streit um die bemängelte Zeile beigelegt hatten.
Am andern Morgen -- ein erwarteter Brief Effi's
hatte noch den mutmaßlich erst in den Schluß der
nächsten Woche fallenden Ankunftstag festzustellen --
ging Innstetten auf das Ministerium. Jetzt war
Mittag heran, die Schule aus, und als Annie, ihre
Mappe auf dem Rücken, eben vom Kanal her auf
die Keithstraße zuschritt, traf sie Roswitha vor ihrer
Wohnung.

"Nun laß sehen," sagte Annie, "wer am ehesten
von uns die Treppe heraufkommt." Roswitha wollte
von diesem Wettlauf nichts wissen, aber Annie jagte
voran, geriet, oben angekommen, ins Stolpern und
fiel dabei so unglücklich, daß sie mit der Stirn auf
den dicht an der Treppe befindlichen Abkratzer aufschlug
und stark blutete. Roswitha, mühevoll nachkeuchend,
riß jetzt die Klingel, und als Johanna das etwas
verängstigte Kind hineingetragen hatte, beratschlagte
man, was nun wohl zu machen sei. "Wir wollen
nach dem Doktor schicken, ... wir wollen nach dem
gnädigen Herrn schicken ... des Portiers Lene muß
ja jetzt auch aus der Schule wieder da sein." Es
wurde aber alles wieder verworfen, weil es zu lange
dauere, man müsse gleich 'was thun, und so packte

Effi Brieſt

Es war an einem Mittwoch, daß die Mädchen
und Annie das vorſtehende Geſpräch geführt und
den Streit um die bemängelte Zeile beigelegt hatten.
Am andern Morgen — ein erwarteter Brief Effi's
hatte noch den mutmaßlich erſt in den Schluß der
nächſten Woche fallenden Ankunftstag feſtzuſtellen —
ging Innſtetten auf das Miniſterium. Jetzt war
Mittag heran, die Schule aus, und als Annie, ihre
Mappe auf dem Rücken, eben vom Kanal her auf
die Keithſtraße zuſchritt, traf ſie Roswitha vor ihrer
Wohnung.

„Nun laß ſehen,“ ſagte Annie, „wer am eheſten
von uns die Treppe heraufkommt.“ Roswitha wollte
von dieſem Wettlauf nichts wiſſen, aber Annie jagte
voran, geriet, oben angekommen, ins Stolpern und
fiel dabei ſo unglücklich, daß ſie mit der Stirn auf
den dicht an der Treppe befindlichen Abkratzer aufſchlug
und ſtark blutete. Roswitha, mühevoll nachkeuchend,
riß jetzt die Klingel, und als Johanna das etwas
verängſtigte Kind hineingetragen hatte, beratſchlagte
man, was nun wohl zu machen ſei. „Wir wollen
nach dem Doktor ſchicken, … wir wollen nach dem
gnädigen Herrn ſchicken … des Portiers Lene muß
ja jetzt auch aus der Schule wieder da ſein.“ Es
wurde aber alles wieder verworfen, weil es zu lange
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[399/0408] Effi Brieſt Es war an einem Mittwoch, daß die Mädchen und Annie das vorſtehende Geſpräch geführt und den Streit um die bemängelte Zeile beigelegt hatten. Am andern Morgen — ein erwarteter Brief Effi's hatte noch den mutmaßlich erſt in den Schluß der nächſten Woche fallenden Ankunftstag feſtzuſtellen — ging Innſtetten auf das Miniſterium. Jetzt war Mittag heran, die Schule aus, und als Annie, ihre Mappe auf dem Rücken, eben vom Kanal her auf die Keithſtraße zuſchritt, traf ſie Roswitha vor ihrer Wohnung. „Nun laß ſehen,“ ſagte Annie, „wer am eheſten von uns die Treppe heraufkommt.“ Roswitha wollte von dieſem Wettlauf nichts wiſſen, aber Annie jagte voran, geriet, oben angekommen, ins Stolpern und fiel dabei ſo unglücklich, daß ſie mit der Stirn auf den dicht an der Treppe befindlichen Abkratzer aufſchlug und ſtark blutete. Roswitha, mühevoll nachkeuchend, riß jetzt die Klingel, und als Johanna das etwas verängſtigte Kind hineingetragen hatte, beratſchlagte man, was nun wohl zu machen ſei. „Wir wollen nach dem Doktor ſchicken, … wir wollen nach dem gnädigen Herrn ſchicken … des Portiers Lene muß ja jetzt auch aus der Schule wieder da ſein.“ Es wurde aber alles wieder verworfen, weil es zu lange dauere, man müſſe gleich 'was thun, und ſo packte

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/408>, abgerufen am 22.11.2024.