Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
zeit fallen. Und Pink war sonst ein ungewöhnlich
tüchtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck.
Aber lassen wir das; Wilke wird schon unruhig."

Bei Tische hörte Briest besser zu; das gute
Einvernehmen mit dem Vetter, von dem ihm viel
erzählt wurde, hatte seinen Beifall, weniger das
Verhalten gegen Tante Therese. Man sah aber
deutlich, daß er inmitten seiner Mißbilligung sich
eigentlich darüber freute; denn ein kleiner Schaber¬
nack entsprach ganz seinem Geschmack, und Tante
Therese war wirklich eine lächerliche Figur. Er hob
sein Glas und stieß mit Frau und Tochter an.
Auch als nach Tisch einzelne der hübschesten Einkäufe
vor ihm ausgepackt und seiner Beurteilung unter¬
breitet wurden, verriet er viel Interesse, das selbst
noch anhielt, oder wenigstens nicht ganz hinstarb,
als er die Rechnung überflog. "Etwas teuer, oder
sagen wir lieber sehr teuer; indessen es thut nichts.
Es hat alles so viel chic, ich möchte sagen so viel
Animierendes, daß ich deutlich fühle, wenn Du mir
solchen Koffer und solche Reisedecke zu Weihnachten
schenkst, so sind wir zu Ostern auch in Rom und
machen nach achtzehn Jahren unsere Hochzeitsreise.
Was meinst Du, Luise? Wollen wir nachexerzieren?
Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt."

Frau von Briest machte eine Handbewegung,

Effi Brieſt
zeit fallen. Und Pink war ſonſt ein ungewöhnlich
tüchtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck.
Aber laſſen wir das; Wilke wird ſchon unruhig.“

Bei Tiſche hörte Brieſt beſſer zu; das gute
Einvernehmen mit dem Vetter, von dem ihm viel
erzählt wurde, hatte ſeinen Beifall, weniger das
Verhalten gegen Tante Thereſe. Man ſah aber
deutlich, daß er inmitten ſeiner Mißbilligung ſich
eigentlich darüber freute; denn ein kleiner Schaber¬
nack entſprach ganz ſeinem Geſchmack, und Tante
Thereſe war wirklich eine lächerliche Figur. Er hob
ſein Glas und ſtieß mit Frau und Tochter an.
Auch als nach Tiſch einzelne der hübſcheſten Einkäufe
vor ihm ausgepackt und ſeiner Beurteilung unter¬
breitet wurden, verriet er viel Intereſſe, das ſelbſt
noch anhielt, oder wenigſtens nicht ganz hinſtarb,
als er die Rechnung überflog. „Etwas teuer, oder
ſagen wir lieber ſehr teuer; indeſſen es thut nichts.
Es hat alles ſo viel chic, ich möchte ſagen ſo viel
Animierendes, daß ich deutlich fühle, wenn Du mir
ſolchen Koffer und ſolche Reiſedecke zu Weihnachten
ſchenkſt, ſo ſind wir zu Oſtern auch in Rom und
machen nach achtzehn Jahren unſere Hochzeitsreiſe.
Was meinſt Du, Luiſe? Wollen wir nachexerzieren?
Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt.“

Frau von Brieſt machte eine Handbewegung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="34"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> zeit fallen. Und Pink war &#x017F;on&#x017F;t ein ungewöhnlich<lb/>
tüchtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck.<lb/>
Aber la&#x017F;&#x017F;en wir das; Wilke wird &#x017F;chon unruhig.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bei Ti&#x017F;che hörte Brie&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er zu; das gute<lb/>
Einvernehmen mit dem Vetter, von dem ihm viel<lb/>
erzählt wurde, hatte &#x017F;einen Beifall, weniger das<lb/>
Verhalten gegen Tante There&#x017F;e. Man &#x017F;ah aber<lb/>
deutlich, daß er inmitten &#x017F;einer Mißbilligung &#x017F;ich<lb/>
eigentlich darüber freute; denn ein kleiner Schaber¬<lb/>
nack ent&#x017F;prach ganz &#x017F;einem Ge&#x017F;chmack, und Tante<lb/>
There&#x017F;e war wirklich eine lächerliche Figur. Er hob<lb/>
&#x017F;ein Glas und &#x017F;tieß mit Frau und Tochter an.<lb/>
Auch als nach Ti&#x017F;ch einzelne der hüb&#x017F;che&#x017F;ten Einkäufe<lb/>
vor ihm ausgepackt und &#x017F;einer Beurteilung unter¬<lb/>
breitet wurden, verriet er viel Intere&#x017F;&#x017F;e, das &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
noch anhielt, oder wenig&#x017F;tens nicht ganz hin&#x017F;tarb,<lb/>
als er die Rechnung überflog. &#x201E;Etwas teuer, oder<lb/>
&#x017F;agen wir lieber &#x017F;ehr teuer; inde&#x017F;&#x017F;en es thut nichts.<lb/>
Es hat alles &#x017F;o viel <hi rendition="#aq">chic</hi>, ich möchte &#x017F;agen &#x017F;o viel<lb/>
Animierendes, daß ich deutlich fühle, wenn Du mir<lb/>
&#x017F;olchen Koffer und &#x017F;olche Rei&#x017F;edecke zu Weihnachten<lb/>
&#x017F;chenk&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind wir zu O&#x017F;tern auch in Rom und<lb/>
machen nach achtzehn Jahren un&#x017F;ere Hochzeitsrei&#x017F;e.<lb/>
Was mein&#x017F;t Du, Lui&#x017F;e? Wollen wir nachexerzieren?<lb/>
Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Frau von Brie&#x017F;t machte eine Handbewegung,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0043] Effi Brieſt zeit fallen. Und Pink war ſonſt ein ungewöhnlich tüchtiger Mann, hier leider am unrechten Fleck. Aber laſſen wir das; Wilke wird ſchon unruhig.“ Bei Tiſche hörte Brieſt beſſer zu; das gute Einvernehmen mit dem Vetter, von dem ihm viel erzählt wurde, hatte ſeinen Beifall, weniger das Verhalten gegen Tante Thereſe. Man ſah aber deutlich, daß er inmitten ſeiner Mißbilligung ſich eigentlich darüber freute; denn ein kleiner Schaber¬ nack entſprach ganz ſeinem Geſchmack, und Tante Thereſe war wirklich eine lächerliche Figur. Er hob ſein Glas und ſtieß mit Frau und Tochter an. Auch als nach Tiſch einzelne der hübſcheſten Einkäufe vor ihm ausgepackt und ſeiner Beurteilung unter¬ breitet wurden, verriet er viel Intereſſe, das ſelbſt noch anhielt, oder wenigſtens nicht ganz hinſtarb, als er die Rechnung überflog. „Etwas teuer, oder ſagen wir lieber ſehr teuer; indeſſen es thut nichts. Es hat alles ſo viel chic, ich möchte ſagen ſo viel Animierendes, daß ich deutlich fühle, wenn Du mir ſolchen Koffer und ſolche Reiſedecke zu Weihnachten ſchenkſt, ſo ſind wir zu Oſtern auch in Rom und machen nach achtzehn Jahren unſere Hochzeitsreiſe. Was meinſt Du, Luiſe? Wollen wir nachexerzieren? Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt.“ Frau von Brieſt machte eine Handbewegung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/43
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/43>, abgerufen am 29.04.2024.