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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
wie wenn sie sagen wollte: "unverbesserlich," und
überließ ihn im übrigen seiner eigenen Beschämung,
die aber nicht groß war.


Ende August war da, der Hochzeitstag (3. Ok¬
tober) rückte näher, und sowohl im Herrenhause wie
in der Pfarre und Schule war man unausgesetzt
bei den Vorbereitungen zum Polterabend. Jahnke,
getreu seiner Fritz Reuter-Passion, hatte sich's als
etwas besonders "Sinniges" ausgedacht, Bertha und
Hertha als Lining und Mining auftreten zu lassen,
natürlich plattdeutsch, während Hulda das Käthchen
von Heilbronn in der Hollunderbaumßene darstellen
sollte, Leutnant Engelbrecht von den Husaren als
Wetter vom Strahl. Niemeyer, der sich den Vater
der Idee nennen durfte, hatte keinen Augenblick
gesäumt, auch die verschämte Nutzanwendung auf
Innstetten und Effi hinzuzudichten. Er selbst war
mit seiner Arbeit zufrieden und hörte, gleich nach
der Leseprobe, von allen Beteiligten viel Freund¬
liches darüber, freilich mit Ausnahme seines Patronats¬
herrn und alten Freundes Briest, der, als er die
Mischung von Kleist und Niemeyer mit angehört
hatte, lebhaft protestierte, wenn auch keineswegs aus
litterarischen Gründen. "Hoher Herr und immer
wieder Hoher Herr -- was soll das? Das leitet

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Effi Brieſt
wie wenn ſie ſagen wollte: „unverbeſſerlich,“ und
überließ ihn im übrigen ſeiner eigenen Beſchämung,
die aber nicht groß war.


Ende Auguſt war da, der Hochzeitstag (3. Ok¬
tober) rückte näher, und ſowohl im Herrenhauſe wie
in der Pfarre und Schule war man unausgeſetzt
bei den Vorbereitungen zum Polterabend. Jahnke,
getreu ſeiner Fritz Reuter-Paſſion, hatte ſich's als
etwas beſonders „Sinniges“ ausgedacht, Bertha und
Hertha als Lining und Mining auftreten zu laſſen,
natürlich plattdeutſch, während Hulda das Käthchen
von Heilbronn in der Hollunderbaumſzene darſtellen
ſollte, Leutnant Engelbrecht von den Huſaren als
Wetter vom Strahl. Niemeyer, der ſich den Vater
der Idee nennen durfte, hatte keinen Augenblick
geſäumt, auch die verſchämte Nutzanwendung auf
Innſtetten und Effi hinzuzudichten. Er ſelbſt war
mit ſeiner Arbeit zufrieden und hörte, gleich nach
der Leſeprobe, von allen Beteiligten viel Freund¬
liches darüber, freilich mit Ausnahme ſeines Patronats¬
herrn und alten Freundes Brieſt, der, als er die
Miſchung von Kleiſt und Niemeyer mit angehört
hatte, lebhaft proteſtierte, wenn auch keineswegs aus
litterariſchen Gründen. „Hoher Herr und immer
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[35/0044] Effi Brieſt wie wenn ſie ſagen wollte: „unverbeſſerlich,“ und überließ ihn im übrigen ſeiner eigenen Beſchämung, die aber nicht groß war. Ende Auguſt war da, der Hochzeitstag (3. Ok¬ tober) rückte näher, und ſowohl im Herrenhauſe wie in der Pfarre und Schule war man unausgeſetzt bei den Vorbereitungen zum Polterabend. Jahnke, getreu ſeiner Fritz Reuter-Paſſion, hatte ſich's als etwas beſonders „Sinniges“ ausgedacht, Bertha und Hertha als Lining und Mining auftreten zu laſſen, natürlich plattdeutſch, während Hulda das Käthchen von Heilbronn in der Hollunderbaumſzene darſtellen ſollte, Leutnant Engelbrecht von den Huſaren als Wetter vom Strahl. Niemeyer, der ſich den Vater der Idee nennen durfte, hatte keinen Augenblick geſäumt, auch die verſchämte Nutzanwendung auf Innſtetten und Effi hinzuzudichten. Er ſelbſt war mit ſeiner Arbeit zufrieden und hörte, gleich nach der Leſeprobe, von allen Beteiligten viel Freund¬ liches darüber, freilich mit Ausnahme ſeines Patronats¬ herrn und alten Freundes Brieſt, der, als er die Miſchung von Kleiſt und Niemeyer mit angehört hatte, lebhaft proteſtierte, wenn auch keineswegs aus litterariſchen Gründen. „Hoher Herr und immer wieder Hoher Herr — was ſoll das? Das leitet 3 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/44>, abgerufen am 29.04.2024.