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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
nicht zu eitel ist und nicht zu viel Vertrauen zu
sich selber hat, ob da nicht Remedur geschaffen werden
müsse. Remedur war nämlich ein Lieblingswort
von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat;
aber freilich, alle Geheimräte haben solche Lieblings¬
worte."

Effi hörte mit sehr geteilten Empfindungen zu.
Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬
wesen wäre, so hätte dies alles reizend sein können,
aber da sie nun 'mal war wie sie war, so fühlte
sich Effi wenig angenehm von dem berührt, was sie
sonst vielleicht einfach erheitert hätte.

"Das ist schon recht, liebe Freundin, was Sie
da von den Geheimräten sagen. Innstetten hat sich
auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn
ich ihn darauf hin ansehe und entschuldigt sich hinter¬
her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl
war freilich schon länger im Dienst und überhaupt
wohl älter ..."

"Um ein geringes," sagte die Geheimrätin spitz
und ablehnend.

"Und alles in allem kann ich mich in Be¬
fürchtungen, wie Sie sie aussprechen, nicht recht zu¬
rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, ist
doch immer noch eine Macht ..."

"Meinen Sie?"

Effi Brieſt
nicht zu eitel iſt und nicht zu viel Vertrauen zu
ſich ſelber hat, ob da nicht Remedur geſchaffen werden
müſſe. Remedur war nämlich ein Lieblingswort
von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat;
aber freilich, alle Geheimräte haben ſolche Lieblings¬
worte.“

Effi hörte mit ſehr geteilten Empfindungen zu.
Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬
weſen wäre, ſo hätte dies alles reizend ſein können,
aber da ſie nun 'mal war wie ſie war, ſo fühlte
ſich Effi wenig angenehm von dem berührt, was ſie
ſonſt vielleicht einfach erheitert hätte.

„Das iſt ſchon recht, liebe Freundin, was Sie
da von den Geheimräten ſagen. Innſtetten hat ſich
auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn
ich ihn darauf hin anſehe und entſchuldigt ſich hinter¬
her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl
war freilich ſchon länger im Dienſt und überhaupt
wohl älter …“

„Um ein geringes,“ ſagte die Geheimrätin ſpitz
und ablehnend.

„Und alles in allem kann ich mich in Be¬
fürchtungen, wie Sie ſie ausſprechen, nicht recht zu¬
rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, iſt
doch immer noch eine Macht …“

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[440/0449] Effi Brieſt nicht zu eitel iſt und nicht zu viel Vertrauen zu ſich ſelber hat, ob da nicht Remedur geſchaffen werden müſſe. Remedur war nämlich ein Lieblingswort von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat; aber freilich, alle Geheimräte haben ſolche Lieblings¬ worte.“ Effi hörte mit ſehr geteilten Empfindungen zu. Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬ weſen wäre, ſo hätte dies alles reizend ſein können, aber da ſie nun 'mal war wie ſie war, ſo fühlte ſich Effi wenig angenehm von dem berührt, was ſie ſonſt vielleicht einfach erheitert hätte. „Das iſt ſchon recht, liebe Freundin, was Sie da von den Geheimräten ſagen. Innſtetten hat ſich auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn ich ihn darauf hin anſehe und entſchuldigt ſich hinter¬ her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl war freilich ſchon länger im Dienſt und überhaupt wohl älter …“ „Um ein geringes,“ ſagte die Geheimrätin ſpitz und ablehnend. „Und alles in allem kann ich mich in Be¬ fürchtungen, wie Sie ſie ausſprechen, nicht recht zu¬ rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, iſt doch immer noch eine Macht …“ „Meinen Sie?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/449>, abgerufen am 16.07.2024.