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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Davon will ich nicht sprechen, das will ich
nicht so direkt gesagt haben, obwohl ich, offen ge¬
standen, auch nach dieser Seite hin voller Mißtrauen
bin, oder, wie ich jetzt sagen muß, war; denn es
liegt ja alles zurück. Aber da giebt es Außengebiete.
Haben Sie von Landpartien gehört?"

"Gewiß. Und ich wollte wohl, Innstetten hätte
mehr Sinn dafür ..."

"Überlegen Sie sich das, liebe Freundin. Zwicker
saß immer in Saatwinkel. Ich kann Ihnen nur
sagen, wenn ich das Wort höre, giebt es mir noch
jetzt einen Stich ins Herz. Überhaupt diese Ver¬
gnügungsörter in der Umgegend unseres lieben, alten
Berlin! Denn ich liebe Berlin trotz alledem. Aber
schon die bloßen Namen der dabei in Frage kommen¬
den Ortschaften umschließen eine Welt von Angst und
Sorge. Sie lächeln. Und doch, sagen Sie selbst,
liebe Freundin, was können Sie von einer großen
Stadt und ihren Sittlichkeitszuständen erwarten, wenn
Sie beinah' unmittelbar vor den Thoren derselben
(denn zwischen Charlottenburg und Berlin ist kein
rechter Unterschied mehr), auf kaum tausend Schritte
zusammengedrängt, einem Pichelsberg, einem Pichels¬
dorf und einem Pichelswerder begegnen. Dreimal
Pichel ist zu viel. Sie können die ganze Welt ab¬
suchen, das finden Sie nicht wieder."

Effi Brieſt

„Davon will ich nicht ſprechen, das will ich
nicht ſo direkt geſagt haben, obwohl ich, offen ge¬
ſtanden, auch nach dieſer Seite hin voller Mißtrauen
bin, oder, wie ich jetzt ſagen muß, war; denn es
liegt ja alles zurück. Aber da giebt es Außengebiete.
Haben Sie von Landpartien gehört?“

„Gewiß. Und ich wollte wohl, Innſtetten hätte
mehr Sinn dafür …“

„Überlegen Sie ſich das, liebe Freundin. Zwicker
ſaß immer in Saatwinkel. Ich kann Ihnen nur
ſagen, wenn ich das Wort höre, giebt es mir noch
jetzt einen Stich ins Herz. Überhaupt dieſe Ver¬
gnügungsörter in der Umgegend unſeres lieben, alten
Berlin! Denn ich liebe Berlin trotz alledem. Aber
ſchon die bloßen Namen der dabei in Frage kommen¬
den Ortſchaften umſchließen eine Welt von Angſt und
Sorge. Sie lächeln. Und doch, ſagen Sie ſelbſt,
liebe Freundin, was können Sie von einer großen
Stadt und ihren Sittlichkeitszuſtänden erwarten, wenn
Sie beinah' unmittelbar vor den Thoren derſelben
(denn zwiſchen Charlottenburg und Berlin iſt kein
rechter Unterſchied mehr), auf kaum tauſend Schritte
zuſammengedrängt, einem Pichelsberg, einem Pichels¬
dorf und einem Pichelswerder begegnen. Dreimal
Pichel iſt zu viel. Sie können die ganze Welt ab¬
ſuchen, das finden Sie nicht wieder.“

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[442/0451] Effi Brieſt „Davon will ich nicht ſprechen, das will ich nicht ſo direkt geſagt haben, obwohl ich, offen ge¬ ſtanden, auch nach dieſer Seite hin voller Mißtrauen bin, oder, wie ich jetzt ſagen muß, war; denn es liegt ja alles zurück. Aber da giebt es Außengebiete. Haben Sie von Landpartien gehört?“ „Gewiß. Und ich wollte wohl, Innſtetten hätte mehr Sinn dafür …“ „Überlegen Sie ſich das, liebe Freundin. Zwicker ſaß immer in Saatwinkel. Ich kann Ihnen nur ſagen, wenn ich das Wort höre, giebt es mir noch jetzt einen Stich ins Herz. Überhaupt dieſe Ver¬ gnügungsörter in der Umgegend unſeres lieben, alten Berlin! Denn ich liebe Berlin trotz alledem. Aber ſchon die bloßen Namen der dabei in Frage kommen¬ den Ortſchaften umſchließen eine Welt von Angſt und Sorge. Sie lächeln. Und doch, ſagen Sie ſelbſt, liebe Freundin, was können Sie von einer großen Stadt und ihren Sittlichkeitszuſtänden erwarten, wenn Sie beinah' unmittelbar vor den Thoren derſelben (denn zwiſchen Charlottenburg und Berlin iſt kein rechter Unterſchied mehr), auf kaum tauſend Schritte zuſammengedrängt, einem Pichelsberg, einem Pichels¬ dorf und einem Pichelswerder begegnen. Dreimal Pichel iſt zu viel. Sie können die ganze Welt ab¬ ſuchen, das finden Sie nicht wieder.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/451>, abgerufen am 22.11.2024.