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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
doch der einzige Mensch in der Stadt, der von Essen
'was verstand. Die andern fanden alles schön."

Roswitha freute sich über jedes Wort und sah
schon alles in bestem Gange, bis Effi wieder sagte:
"Hast Du Dir das alles überlegt? Denn Du bist
doch -- ich muß das sagen, wiewohl es meine eigne
Wirtschaft war --, Du bist doch nun durch viele
Jahre hin verwöhnt, und es kam nie darauf an,
wir hatten es nicht nötig, sparsam zu sein; aber
jetzt muß ich sparsam sein, denn ich bin arm und
habe nur, was man mir giebt, Du weißt von
Hohen-Cremmen her. Meine Eltern sind sehr gut
gegen mich, so weit sie's können, aber sie sind nicht
reich. Und nun sage, was meinst Du?"

"Daß ich nächsten Sonnabend mit meinem
Koffer anziehe, nicht am Abend, sondern gleich am
Morgen, und daß ich da bin, wenn das Einrichten
losgeht. Denn ich kann doch ganz anders zufassen,
wie die gnädige Frau."

"Sage das nicht, Roswitha. Ich kann es auch.
Wenn man muß, kann man alles."

"Und dann, gnädige Frau, Sie brauchen sich
wegen meiner nicht zu fürchten, als ob ich 'mal
denken könnte: ,für Roswitha ist das nicht gut ge¬
nug.' Für Roswitha ist alles gut, was sie mit der
gnädigen Frau teilen muß, und am liebsten, wenn

Effi Brieſt
doch der einzige Menſch in der Stadt, der von Eſſen
'was verſtand. Die andern fanden alles ſchön.“

Roswitha freute ſich über jedes Wort und ſah
ſchon alles in beſtem Gange, bis Effi wieder ſagte:
„Haſt Du Dir das alles überlegt? Denn Du biſt
doch — ich muß das ſagen, wiewohl es meine eigne
Wirtſchaft war —, Du biſt doch nun durch viele
Jahre hin verwöhnt, und es kam nie darauf an,
wir hatten es nicht nötig, ſparſam zu ſein; aber
jetzt muß ich ſparſam ſein, denn ich bin arm und
habe nur, was man mir giebt, Du weißt von
Hohen-Cremmen her. Meine Eltern ſind ſehr gut
gegen mich, ſo weit ſie's können, aber ſie ſind nicht
reich. Und nun ſage, was meinſt Du?“

„Daß ich nächſten Sonnabend mit meinem
Koffer anziehe, nicht am Abend, ſondern gleich am
Morgen, und daß ich da bin, wenn das Einrichten
losgeht. Denn ich kann doch ganz anders zufaſſen,
wie die gnädige Frau.“

„Sage das nicht, Roswitha. Ich kann es auch.
Wenn man muß, kann man alles.“

„Und dann, gnädige Frau, Sie brauchen ſich
wegen meiner nicht zu fürchten, als ob ich 'mal
denken könnte: ,für Roswitha iſt das nicht gut ge¬
nug.‘ Für Roswitha iſt alles gut, was ſie mit der
gnädigen Frau teilen muß, und am liebſten, wenn

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[463/0472] Effi Brieſt doch der einzige Menſch in der Stadt, der von Eſſen 'was verſtand. Die andern fanden alles ſchön.“ Roswitha freute ſich über jedes Wort und ſah ſchon alles in beſtem Gange, bis Effi wieder ſagte: „Haſt Du Dir das alles überlegt? Denn Du biſt doch — ich muß das ſagen, wiewohl es meine eigne Wirtſchaft war —, Du biſt doch nun durch viele Jahre hin verwöhnt, und es kam nie darauf an, wir hatten es nicht nötig, ſparſam zu ſein; aber jetzt muß ich ſparſam ſein, denn ich bin arm und habe nur, was man mir giebt, Du weißt von Hohen-Cremmen her. Meine Eltern ſind ſehr gut gegen mich, ſo weit ſie's können, aber ſie ſind nicht reich. Und nun ſage, was meinſt Du?“ „Daß ich nächſten Sonnabend mit meinem Koffer anziehe, nicht am Abend, ſondern gleich am Morgen, und daß ich da bin, wenn das Einrichten losgeht. Denn ich kann doch ganz anders zufaſſen, wie die gnädige Frau.“ „Sage das nicht, Roswitha. Ich kann es auch. Wenn man muß, kann man alles.“ „Und dann, gnädige Frau, Sie brauchen ſich wegen meiner nicht zu fürchten, als ob ich 'mal denken könnte: ,für Roswitha iſt das nicht gut ge¬ nug.‘ Für Roswitha iſt alles gut, was ſie mit der gnädigen Frau teilen muß, und am liebſten, wenn

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/472>, abgerufen am 22.11.2024.