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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
schloß: "Rücke heran, Roswitha. Leiste mir Ge¬
sellschaft."

Roswitha kam denn auch. "Ich weiß schon,
die gnädige Frau haben wieder zu viel gespielt;
dann sehen Sie immer so aus und haben rote Flecke.
Der Geheimrat hat es doch verboten."

"Ach, Roswitha, der Geheimrat hat leicht ver¬
bieten, und Du hast es auch leicht, all' das nachzu¬
sprechen. Aber was soll ich denn machen? Ich
kann doch nicht den ganzen Tag am Fenster sitzen
und nach der Christuskirche hinübersehen. Sonntags,
beim Abendgottesdienst, wenn die Fenster erleuchtet
sind, sehe ich ja immer hinüber; aber es hilft mir
auch nichts, mir wird dann immer noch schwerer
ums Herz."

"Ja, gnädige Frau, dann sollten Sie 'mal
hineingehen. Einmal waren Sie ja schon drüben."

"O schon öfters. Aber ich habe nicht viel da¬
von gehabt. Er predigt ganz gut und ist ein sehr
kluger Mann, und ich wäre froh, wenn ich das
Hundertste davon wüßte. Aber es ist doch alles bloß,
wie wenn ich ein Buch lese; und wenn er dann so
laut spricht und herumficht und seine schwarzen Locken
schüttelt, dann bin ich aus meiner Andacht heraus."

"Heraus?"

Effi lachte. "Du meinst, ich war noch gar nicht

Effi Brieſt
ſchloß: „Rücke heran, Roswitha. Leiſte mir Ge¬
ſellſchaft.“

Roswitha kam denn auch. „Ich weiß ſchon,
die gnädige Frau haben wieder zu viel geſpielt;
dann ſehen Sie immer ſo aus und haben rote Flecke.
Der Geheimrat hat es doch verboten.“

„Ach, Roswitha, der Geheimrat hat leicht ver¬
bieten, und Du haſt es auch leicht, all' das nachzu¬
ſprechen. Aber was ſoll ich denn machen? Ich
kann doch nicht den ganzen Tag am Fenſter ſitzen
und nach der Chriſtuskirche hinüberſehen. Sonntags,
beim Abendgottesdienſt, wenn die Fenſter erleuchtet
ſind, ſehe ich ja immer hinüber; aber es hilft mir
auch nichts, mir wird dann immer noch ſchwerer
ums Herz.“

„Ja, gnädige Frau, dann ſollten Sie 'mal
hineingehen. Einmal waren Sie ja ſchon drüben.“

„O ſchon öfters. Aber ich habe nicht viel da¬
von gehabt. Er predigt ganz gut und iſt ein ſehr
kluger Mann, und ich wäre froh, wenn ich das
Hundertſte davon wüßte. Aber es iſt doch alles bloß,
wie wenn ich ein Buch leſe; und wenn er dann ſo
laut ſpricht und herumficht und ſeine ſchwarzen Locken
ſchüttelt, dann bin ich aus meiner Andacht heraus.“

„Heraus?“

Effi lachte. „Du meinſt, ich war noch gar nicht

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[466/0475] Effi Brieſt ſchloß: „Rücke heran, Roswitha. Leiſte mir Ge¬ ſellſchaft.“ Roswitha kam denn auch. „Ich weiß ſchon, die gnädige Frau haben wieder zu viel geſpielt; dann ſehen Sie immer ſo aus und haben rote Flecke. Der Geheimrat hat es doch verboten.“ „Ach, Roswitha, der Geheimrat hat leicht ver¬ bieten, und Du haſt es auch leicht, all' das nachzu¬ ſprechen. Aber was ſoll ich denn machen? Ich kann doch nicht den ganzen Tag am Fenſter ſitzen und nach der Chriſtuskirche hinüberſehen. Sonntags, beim Abendgottesdienſt, wenn die Fenſter erleuchtet ſind, ſehe ich ja immer hinüber; aber es hilft mir auch nichts, mir wird dann immer noch ſchwerer ums Herz.“ „Ja, gnädige Frau, dann ſollten Sie 'mal hineingehen. Einmal waren Sie ja ſchon drüben.“ „O ſchon öfters. Aber ich habe nicht viel da¬ von gehabt. Er predigt ganz gut und iſt ein ſehr kluger Mann, und ich wäre froh, wenn ich das Hundertſte davon wüßte. Aber es iſt doch alles bloß, wie wenn ich ein Buch leſe; und wenn er dann ſo laut ſpricht und herumficht und ſeine ſchwarzen Locken ſchüttelt, dann bin ich aus meiner Andacht heraus.“ „Heraus?“ Effi lachte. „Du meinſt, ich war noch gar nicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/475>, abgerufen am 25.11.2024.