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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
die bei dem starken Luftzuge, der ging, hin und her
bauschten, thaten ihr wohl. Sie lehnte sich in die
dem Vorderperron zugekehrte Ecke und musterte eben
mehrere in eine Glasscheibe eingebrannte Sofas, blau
mit Quasten und Puscheln daran, als sie -- der
Wagen war gerade in einem langsamen Fahren --
drei Schulkinder aufspringen sah, die Mappen auf
dem Rücken, mit kleinen spitzen Hüten, zwei blond
und ausgelassen, die dritte dunkel und ernst. Es
war Annie. Effi fuhr heftig zusammen, und eine
Begegnung mit dem Kinde zu haben, wonach sie sich
doch so lange gesehnt, erfüllte sie jetzt mit einer
wahren Todesangst. Was thun? Rasch entschlossen
öffnete sie die Thür zu dem Vorderperron, auf dem
niemand stand, als der Kutscher, und bat diesen, sie
bei der nächsten Haltestelle vorn absteigen zu lassen.
"Is verboten, Fräulein," sagte der Kutscher; sie gab
ihm aber ein Geldstück und sah ihn so bittend an,
daß der gutmütige Mensch anderen Sinnes wurde
und vor sich hin sagte: "Sind soll es eigentlich nich;
aber es wird ja woll 'mal gehn." Und als der
Wagen hielt, nahm er das Gitter aus, und Effi
sprang ab.

Noch in großer Erregung kam Effi nach Hause.

"Denke Dir, Roswitha, ich habe Annie gesehen."
Und nun erzählte sie von der Begegnung in dem

Effi Brieſt
die bei dem ſtarken Luftzuge, der ging, hin und her
bauſchten, thaten ihr wohl. Sie lehnte ſich in die
dem Vorderperron zugekehrte Ecke und muſterte eben
mehrere in eine Glasſcheibe eingebrannte Sofas, blau
mit Quaſten und Puſcheln daran, als ſie — der
Wagen war gerade in einem langſamen Fahren —
drei Schulkinder aufſpringen ſah, die Mappen auf
dem Rücken, mit kleinen ſpitzen Hüten, zwei blond
und ausgelaſſen, die dritte dunkel und ernſt. Es
war Annie. Effi fuhr heftig zuſammen, und eine
Begegnung mit dem Kinde zu haben, wonach ſie ſich
doch ſo lange geſehnt, erfüllte ſie jetzt mit einer
wahren Todesangſt. Was thun? Raſch entſchloſſen
öffnete ſie die Thür zu dem Vorderperron, auf dem
niemand ſtand, als der Kutſcher, und bat dieſen, ſie
bei der nächſten Halteſtelle vorn abſteigen zu laſſen.
„Is verboten, Fräulein,“ ſagte der Kutſcher; ſie gab
ihm aber ein Geldſtück und ſah ihn ſo bittend an,
daß der gutmütige Menſch anderen Sinnes wurde
und vor ſich hin ſagte: „Sind ſoll es eigentlich nich;
aber es wird ja woll 'mal gehn.“ Und als der
Wagen hielt, nahm er das Gitter aus, und Effi
ſprang ab.

Noch in großer Erregung kam Effi nach Hauſe.

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Und nun erzählte ſie von der Begegnung in dem

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[470/0479] Effi Brieſt die bei dem ſtarken Luftzuge, der ging, hin und her bauſchten, thaten ihr wohl. Sie lehnte ſich in die dem Vorderperron zugekehrte Ecke und muſterte eben mehrere in eine Glasſcheibe eingebrannte Sofas, blau mit Quaſten und Puſcheln daran, als ſie — der Wagen war gerade in einem langſamen Fahren — drei Schulkinder aufſpringen ſah, die Mappen auf dem Rücken, mit kleinen ſpitzen Hüten, zwei blond und ausgelaſſen, die dritte dunkel und ernſt. Es war Annie. Effi fuhr heftig zuſammen, und eine Begegnung mit dem Kinde zu haben, wonach ſie ſich doch ſo lange geſehnt, erfüllte ſie jetzt mit einer wahren Todesangſt. Was thun? Raſch entſchloſſen öffnete ſie die Thür zu dem Vorderperron, auf dem niemand ſtand, als der Kutſcher, und bat dieſen, ſie bei der nächſten Halteſtelle vorn abſteigen zu laſſen. „Is verboten, Fräulein,“ ſagte der Kutſcher; ſie gab ihm aber ein Geldſtück und ſah ihn ſo bittend an, daß der gutmütige Menſch anderen Sinnes wurde und vor ſich hin ſagte: „Sind ſoll es eigentlich nich; aber es wird ja woll 'mal gehn.“ Und als der Wagen hielt, nahm er das Gitter aus, und Effi ſprang ab. Noch in großer Erregung kam Effi nach Hauſe. „Denke Dir, Roswitha, ich habe Annie geſehen.“ Und nun erzählte ſie von der Begegnung in dem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/479>, abgerufen am 22.11.2024.