ihnen nicht entgehen konnte, daß es nicht die helle Jugend, sondern eine Verklärtheit war, was der schlanken Erscheinung und den leuchtenden Augen diesen eigentümlichen Ausdruck gab. Alle, die schärfer zusahen, sahen dies, nur Effi selbst sah es nicht und lebte ganz dem Glücksgefühle, wieder an dieser für sie so freundlich friedreichen Stelle zu sein, in Ver¬ söhnung mit denen, die sie immer geliebt hatte und von denen sie immer geliebt worden war, auch in den Jahren ihres Elends und ihrer Verbannung.
Sie beschäftigte sich mit allerlei Wirtschaftlichem und sorgte für Ausschmückung und kleine Verbesserungen im Haushalt. Ihr Sinn für das Schöne ließ sie darin immer das Richtige treffen. Lesen aber und vor allem die Beschäftigung mit den Künsten hatte sie ganz aufgegeben. "Ich habe davon so viel gehabt, daß ich froh bin, die Hände in den Schoß legen zu können." Es erinnerte sie auch wohl zu sehr an ihre traurigen Tage. Sie bildete statt dessen die Kunst aus, still und entzückt auf die Natur zu blicken, und wenn das Laub von den Platanen fiel, wenn die Sonnenstrahlen auf dem Eis des kleinen Teiches blitzten oder die ersten Krokus aus dem noch halb winterlichen Rondell aufblühten, -- das that ihr wohl, und auf all das konnte sie stundenlang blicken und dabei vergessen, was ihr das Leben
Effi Brieſt
ihnen nicht entgehen konnte, daß es nicht die helle Jugend, ſondern eine Verklärtheit war, was der ſchlanken Erſcheinung und den leuchtenden Augen dieſen eigentümlichen Ausdruck gab. Alle, die ſchärfer zuſahen, ſahen dies, nur Effi ſelbſt ſah es nicht und lebte ganz dem Glücksgefühle, wieder an dieſer für ſie ſo freundlich friedreichen Stelle zu ſein, in Ver¬ ſöhnung mit denen, die ſie immer geliebt hatte und von denen ſie immer geliebt worden war, auch in den Jahren ihres Elends und ihrer Verbannung.
Sie beſchäftigte ſich mit allerlei Wirtſchaftlichem und ſorgte für Ausſchmückung und kleine Verbeſſerungen im Haushalt. Ihr Sinn für das Schöne ließ ſie darin immer das Richtige treffen. Leſen aber und vor allem die Beſchäftigung mit den Künſten hatte ſie ganz aufgegeben. „Ich habe davon ſo viel gehabt, daß ich froh bin, die Hände in den Schoß legen zu können.“ Es erinnerte ſie auch wohl zu ſehr an ihre traurigen Tage. Sie bildete ſtatt deſſen die Kunſt aus, ſtill und entzückt auf die Natur zu blicken, und wenn das Laub von den Platanen fiel, wenn die Sonnenſtrahlen auf dem Eis des kleinen Teiches blitzten oder die erſten Krokus aus dem noch halb winterlichen Rondell aufblühten, — das that ihr wohl, und auf all das konnte ſie ſtundenlang blicken und dabei vergeſſen, was ihr das Leben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0500"n="491"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> ihnen nicht entgehen konnte, daß es nicht die helle<lb/>
Jugend, ſondern eine Verklärtheit war, was der<lb/>ſchlanken Erſcheinung und den leuchtenden Augen<lb/>
dieſen eigentümlichen Ausdruck gab. Alle, die ſchärfer<lb/>
zuſahen, ſahen dies, nur Effi ſelbſt ſah es nicht und<lb/>
lebte ganz dem Glücksgefühle, wieder an dieſer für<lb/>ſie ſo freundlich friedreichen Stelle zu ſein, in Ver¬<lb/>ſöhnung mit denen, die ſie immer geliebt hatte und<lb/>
von denen ſie immer geliebt worden war, auch in<lb/>
den Jahren ihres Elends und ihrer Verbannung.</p><lb/><p>Sie beſchäftigte ſich mit allerlei Wirtſchaftlichem<lb/>
und ſorgte für Ausſchmückung und kleine Verbeſſerungen<lb/>
im Haushalt. Ihr Sinn für das Schöne ließ ſie darin<lb/>
immer das Richtige treffen. Leſen aber und vor<lb/>
allem die Beſchäftigung mit den Künſten hatte ſie<lb/>
ganz aufgegeben. „Ich habe davon ſo viel gehabt,<lb/>
daß ich froh bin, die Hände in den Schoß legen zu<lb/>
können.“ Es erinnerte ſie auch wohl zu ſehr an ihre<lb/>
traurigen Tage. Sie bildete ſtatt deſſen die Kunſt<lb/>
aus, ſtill und entzückt auf die Natur zu blicken, und<lb/>
wenn das Laub von den Platanen fiel, wenn die<lb/>
Sonnenſtrahlen auf dem Eis des kleinen Teiches<lb/>
blitzten oder die erſten Krokus aus dem noch halb<lb/>
winterlichen Rondell aufblühten, — das that ihr<lb/>
wohl, und auf all das konnte ſie ſtundenlang<lb/>
blicken und dabei vergeſſen, was ihr das Leben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[491/0500]
Effi Brieſt
ihnen nicht entgehen konnte, daß es nicht die helle
Jugend, ſondern eine Verklärtheit war, was der
ſchlanken Erſcheinung und den leuchtenden Augen
dieſen eigentümlichen Ausdruck gab. Alle, die ſchärfer
zuſahen, ſahen dies, nur Effi ſelbſt ſah es nicht und
lebte ganz dem Glücksgefühle, wieder an dieſer für
ſie ſo freundlich friedreichen Stelle zu ſein, in Ver¬
ſöhnung mit denen, die ſie immer geliebt hatte und
von denen ſie immer geliebt worden war, auch in
den Jahren ihres Elends und ihrer Verbannung.
Sie beſchäftigte ſich mit allerlei Wirtſchaftlichem
und ſorgte für Ausſchmückung und kleine Verbeſſerungen
im Haushalt. Ihr Sinn für das Schöne ließ ſie darin
immer das Richtige treffen. Leſen aber und vor
allem die Beſchäftigung mit den Künſten hatte ſie
ganz aufgegeben. „Ich habe davon ſo viel gehabt,
daß ich froh bin, die Hände in den Schoß legen zu
können.“ Es erinnerte ſie auch wohl zu ſehr an ihre
traurigen Tage. Sie bildete ſtatt deſſen die Kunſt
aus, ſtill und entzückt auf die Natur zu blicken, und
wenn das Laub von den Platanen fiel, wenn die
Sonnenſtrahlen auf dem Eis des kleinen Teiches
blitzten oder die erſten Krokus aus dem noch halb
winterlichen Rondell aufblühten, — das that ihr
wohl, und auf all das konnte ſie ſtundenlang
blicken und dabei vergeſſen, was ihr das Leben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/500>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.