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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
im Parke promenieren ließ, hatte sie denn auch die
Hülle und Fülle davon; mit dem Eintreten des
Winters aber kam eine mehrmonatliche Unterbrechung,
weil sie das Predigerhaus selbst nicht gern betrat;
Frau Pastor Niemeyer war immer eine sehr un¬
angenehme Frau gewesen und schlug jetzt vollends
hohe Töne an, trotzdem sie, nach Ansicht der Ge¬
meinde, selber nicht ganz einwandsfrei war.

Das ging so den ganzen Winter durch, sehr zu
Effi's Leidwesen. Als dann aber, Anfang April, die
Sträucher einen grünen Rand zeigten und die Park¬
wege rasch abtrockneten, da wurden auch die Spazier¬
gänge wieder aufgenommen.

Einmal gingen sie auch wieder so. Von fern
her hörte man den Kuckuck, und Effi zählte, wie
vielemale er rief. Sie hatte sich an Niemeyer's Arm
gehängt und sagte: "Ja, da ruft der Kuckuck. Ich
mag ihn nicht befragen. Sagen Sie, Freund, was
halten Sie vom Leben?"

"Ach, liebe Effi, mit solchen Doktorfragen darfst
Du mir nicht kommen. Da mußt Du Dich an einen
Philosophen wenden oder ein Ausschreiben an eine
Fakultät machen. Was ich vom Leben halte? Viel
und wenig. Mitunter ist es recht viel und mitunter
ist es recht wenig."

"Das ist recht, Freund, das gefällt mir; mehr

Effi Brieſt
im Parke promenieren ließ, hatte ſie denn auch die
Hülle und Fülle davon; mit dem Eintreten des
Winters aber kam eine mehrmonatliche Unterbrechung,
weil ſie das Predigerhaus ſelbſt nicht gern betrat;
Frau Paſtor Niemeyer war immer eine ſehr un¬
angenehme Frau geweſen und ſchlug jetzt vollends
hohe Töne an, trotzdem ſie, nach Anſicht der Ge¬
meinde, ſelber nicht ganz einwandsfrei war.

Das ging ſo den ganzen Winter durch, ſehr zu
Effi's Leidweſen. Als dann aber, Anfang April, die
Sträucher einen grünen Rand zeigten und die Park¬
wege raſch abtrockneten, da wurden auch die Spazier¬
gänge wieder aufgenommen.

Einmal gingen ſie auch wieder ſo. Von fern
her hörte man den Kuckuck, und Effi zählte, wie
vielemale er rief. Sie hatte ſich an Niemeyer's Arm
gehängt und ſagte: „Ja, da ruft der Kuckuck. Ich
mag ihn nicht befragen. Sagen Sie, Freund, was
halten Sie vom Leben?“

„Ach, liebe Effi, mit ſolchen Doktorfragen darfſt
Du mir nicht kommen. Da mußt Du Dich an einen
Philoſophen wenden oder ein Ausſchreiben an eine
Fakultät machen. Was ich vom Leben halte? Viel
und wenig. Mitunter iſt es recht viel und mitunter
iſt es recht wenig.“

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[494/0503] Effi Brieſt im Parke promenieren ließ, hatte ſie denn auch die Hülle und Fülle davon; mit dem Eintreten des Winters aber kam eine mehrmonatliche Unterbrechung, weil ſie das Predigerhaus ſelbſt nicht gern betrat; Frau Paſtor Niemeyer war immer eine ſehr un¬ angenehme Frau geweſen und ſchlug jetzt vollends hohe Töne an, trotzdem ſie, nach Anſicht der Ge¬ meinde, ſelber nicht ganz einwandsfrei war. Das ging ſo den ganzen Winter durch, ſehr zu Effi's Leidweſen. Als dann aber, Anfang April, die Sträucher einen grünen Rand zeigten und die Park¬ wege raſch abtrockneten, da wurden auch die Spazier¬ gänge wieder aufgenommen. Einmal gingen ſie auch wieder ſo. Von fern her hörte man den Kuckuck, und Effi zählte, wie vielemale er rief. Sie hatte ſich an Niemeyer's Arm gehängt und ſagte: „Ja, da ruft der Kuckuck. Ich mag ihn nicht befragen. Sagen Sie, Freund, was halten Sie vom Leben?“ „Ach, liebe Effi, mit ſolchen Doktorfragen darfſt Du mir nicht kommen. Da mußt Du Dich an einen Philoſophen wenden oder ein Ausſchreiben an eine Fakultät machen. Was ich vom Leben halte? Viel und wenig. Mitunter iſt es recht viel und mitunter iſt es recht wenig.“ „Das iſt recht, Freund, das gefällt mir; mehr

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/503>, abgerufen am 23.11.2024.