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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
licher erscheinen sie Dir. Ich sah das so recht, als
wir die Reisesachen kauften. Und nun denkst Du
Dir's ganz wundervoll, einen Bettschirm mit aller¬
hand fabelhaftem Getier zu haben, alles im Halb¬
licht einer roten Ampel. Es kommt Dir vor wie
ein Märchen, und Du möchtest eine Prinzessin sein."

Effi nahm die Hand der Mama und küßte sie.
"Ja, Mama, so bin ich."

"Ja, so bist Du. Ich weiß es wohl. Aber
meine liebe Effi, wir müssen vorsichtig im Leben sein,
und zumal wir Frauen. Und wenn Du nun nach
Kessin kommst, einem kleinen Ort, wo nachts kaum
eine Laterne brennt, so lacht man über dergleichen.
Und wenn man bloß lachte. Die, die Dir unge¬
wogen sind, und solche giebt es immer, sprechen von
schlechter Erziehung, und manche sagen auch wohl
noch Schlimmeres."

"Also nichts Japanisches und auch keine Ampel.
Aber ich bekenne Dir, ich hatte es mir so schön und
poetisch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu sehen."

Frau von Briest war bewegt. Sie stand auf
und küßte Effi. "Du bist ein Kind. Schön und
poetisch. Das sind so Vorstellungen. Die Wirklich¬
keit ist anders, und oft ist es gut, daß es statt Licht
und Schimmer ein Dunkel giebt."

Effi schien antworten zu wollen, aber in diesem

Effi Brieſt
licher erſcheinen ſie Dir. Ich ſah das ſo recht, als
wir die Reiſeſachen kauften. Und nun denkſt Du
Dir's ganz wundervoll, einen Bettſchirm mit aller¬
hand fabelhaftem Getier zu haben, alles im Halb¬
licht einer roten Ampel. Es kommt Dir vor wie
ein Märchen, und Du möchteſt eine Prinzeſſin ſein.“

Effi nahm die Hand der Mama und küßte ſie.
„Ja, Mama, ſo bin ich.“

„Ja, ſo biſt Du. Ich weiß es wohl. Aber
meine liebe Effi, wir müſſen vorſichtig im Leben ſein,
und zumal wir Frauen. Und wenn Du nun nach
Keſſin kommſt, einem kleinen Ort, wo nachts kaum
eine Laterne brennt, ſo lacht man über dergleichen.
Und wenn man bloß lachte. Die, die Dir unge¬
wogen ſind, und ſolche giebt es immer, ſprechen von
ſchlechter Erziehung, und manche ſagen auch wohl
noch Schlimmeres.“

„Alſo nichts Japaniſches und auch keine Ampel.
Aber ich bekenne Dir, ich hatte es mir ſo ſchön und
poetiſch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu ſehen.“

Frau von Brieſt war bewegt. Sie ſtand auf
und küßte Effi. „Du biſt ein Kind. Schön und
poetiſch. Das ſind ſo Vorſtellungen. Die Wirklich¬
keit iſt anders, und oft iſt es gut, daß es ſtatt Licht
und Schimmer ein Dunkel giebt.“

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[43/0052] Effi Brieſt licher erſcheinen ſie Dir. Ich ſah das ſo recht, als wir die Reiſeſachen kauften. Und nun denkſt Du Dir's ganz wundervoll, einen Bettſchirm mit aller¬ hand fabelhaftem Getier zu haben, alles im Halb¬ licht einer roten Ampel. Es kommt Dir vor wie ein Märchen, und Du möchteſt eine Prinzeſſin ſein.“ Effi nahm die Hand der Mama und küßte ſie. „Ja, Mama, ſo bin ich.“ „Ja, ſo biſt Du. Ich weiß es wohl. Aber meine liebe Effi, wir müſſen vorſichtig im Leben ſein, und zumal wir Frauen. Und wenn Du nun nach Keſſin kommſt, einem kleinen Ort, wo nachts kaum eine Laterne brennt, ſo lacht man über dergleichen. Und wenn man bloß lachte. Die, die Dir unge¬ wogen ſind, und ſolche giebt es immer, ſprechen von ſchlechter Erziehung, und manche ſagen auch wohl noch Schlimmeres.“ „Alſo nichts Japaniſches und auch keine Ampel. Aber ich bekenne Dir, ich hatte es mir ſo ſchön und poetiſch gedacht, alles in einem roten Schimmer zu ſehen.“ Frau von Brieſt war bewegt. Sie ſtand auf und küßte Effi. „Du biſt ein Kind. Schön und poetiſch. Das ſind ſo Vorſtellungen. Die Wirklich¬ keit iſt anders, und oft iſt es gut, daß es ſtatt Licht und Schimmer ein Dunkel giebt.“ Effi ſchien antworten zu wollen, aber in dieſem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/52>, abgerufen am 14.05.2024.