"Dann, Effi, bitte, steig' ein." Und während Effi dem nachkam, und einer von den Bahnhofsleuten einen kleinen Handkoffer vorn beim Kutscher unter¬ brachte, gab Innstetten Weisung, den Rest des Gepäcks mit dem Omnibus nachzuschicken. Gleich danach nahm auch er seinen Platz, bat, sich populär machend, einen der Umstehenden um Feuer und rief Kruse zu: "Nun vorwärts, Kruse." Und über die Schienen weg, die vielgleisig an der Übergangsstelle lagen, ging es in Schräglinie den Bahndamm hinunter und gleich danach an einem schon an der Chaussee gelegenen Gasthause vorüber, das den Namen "Zum Fürsten Bismarck" führte. Denn an eben dieser Stelle gabelte der Weg und zweigte, wie rechts nach Kessin, so links nach Varzin hin ab. Vor dem Gasthofe stand ein mittel¬ großer breitschultriger Mann in Pelz und Pelzmütze, welch letztere er, als der Herr Landrat vorüberfuhr, mit vieler Würde vom Haupte nahm. "Wer war denn das?" sagte Effi, die durch alles, was sie sah, aufs höchste interessiert und schon deshalb bei bester Laune war. "Er sah ja aus wie ein Starost, wo¬ bei ich freilich bekennen muß, nie einen Starosten gesehen zu haben."
"Was auch nicht schadet, Effi. Du hast es trotzdem sehr gut getroffen. Er sieht wirklich aus wie ein Starost und ist auch so 'was. Er ist näm¬
5 *
Effi Brieſt
„Dann, Effi, bitte, ſteig' ein.“ Und während Effi dem nachkam, und einer von den Bahnhofsleuten einen kleinen Handkoffer vorn beim Kutſcher unter¬ brachte, gab Innſtetten Weiſung, den Reſt des Gepäcks mit dem Omnibus nachzuſchicken. Gleich danach nahm auch er ſeinen Platz, bat, ſich populär machend, einen der Umſtehenden um Feuer und rief Kruſe zu: „Nun vorwärts, Kruſe.“ Und über die Schienen weg, die vielgleiſig an der Übergangsſtelle lagen, ging es in Schräglinie den Bahndamm hinunter und gleich danach an einem ſchon an der Chauſſee gelegenen Gaſthauſe vorüber, das den Namen „Zum Fürſten Bismarck“ führte. Denn an eben dieſer Stelle gabelte der Weg und zweigte, wie rechts nach Keſſin, ſo links nach Varzin hin ab. Vor dem Gaſthofe ſtand ein mittel¬ großer breitſchultriger Mann in Pelz und Pelzmütze, welch letztere er, als der Herr Landrat vorüberfuhr, mit vieler Würde vom Haupte nahm. „Wer war denn das?“ ſagte Effi, die durch alles, was ſie ſah, aufs höchſte intereſſiert und ſchon deshalb bei beſter Laune war. „Er ſah ja aus wie ein Staroſt, wo¬ bei ich freilich bekennen muß, nie einen Staroſten geſehen zu haben.“
„Was auch nicht ſchadet, Effi. Du haſt es trotzdem ſehr gut getroffen. Er ſieht wirklich aus wie ein Staroſt und iſt auch ſo 'was. Er iſt näm¬
5 *
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0076"n="67"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw><p>„Dann, Effi, bitte, ſteig' ein.“ Und während<lb/>
Effi dem nachkam, und einer von den Bahnhofsleuten<lb/>
einen kleinen Handkoffer vorn beim Kutſcher unter¬<lb/>
brachte, gab Innſtetten Weiſung, den Reſt des Gepäcks<lb/>
mit dem Omnibus nachzuſchicken. Gleich danach<lb/>
nahm auch er ſeinen Platz, bat, ſich populär machend,<lb/>
einen der Umſtehenden um Feuer und rief Kruſe zu:<lb/>„Nun vorwärts, Kruſe.“ Und über die Schienen<lb/>
weg, die vielgleiſig an der Übergangsſtelle lagen,<lb/>
ging es in Schräglinie den Bahndamm hinunter und<lb/>
gleich danach an einem ſchon an der Chauſſee gelegenen<lb/>
Gaſthauſe vorüber, das den Namen „Zum Fürſten<lb/>
Bismarck“ führte. Denn an eben dieſer Stelle gabelte<lb/>
der Weg und zweigte, wie rechts nach Keſſin, ſo links<lb/>
nach Varzin hin ab. Vor dem Gaſthofe ſtand ein mittel¬<lb/>
großer breitſchultriger Mann in Pelz und Pelzmütze,<lb/>
welch letztere er, als der Herr Landrat vorüberfuhr,<lb/>
mit vieler Würde vom Haupte nahm. „Wer war<lb/>
denn das?“ſagte Effi, die durch alles, was ſie ſah,<lb/>
aufs höchſte intereſſiert und ſchon deshalb bei beſter<lb/>
Laune war. „Er ſah ja aus wie ein Staroſt, wo¬<lb/>
bei ich freilich bekennen muß, nie einen Staroſten<lb/>
geſehen zu haben.“</p><lb/><p>„Was auch nicht ſchadet, Effi. Du haſt es<lb/>
trotzdem ſehr gut getroffen. Er ſieht wirklich aus<lb/>
wie ein Staroſt und iſt auch ſo 'was. Er iſt näm¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">5 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[67/0076]
Effi Brieſt
„Dann, Effi, bitte, ſteig' ein.“ Und während
Effi dem nachkam, und einer von den Bahnhofsleuten
einen kleinen Handkoffer vorn beim Kutſcher unter¬
brachte, gab Innſtetten Weiſung, den Reſt des Gepäcks
mit dem Omnibus nachzuſchicken. Gleich danach
nahm auch er ſeinen Platz, bat, ſich populär machend,
einen der Umſtehenden um Feuer und rief Kruſe zu:
„Nun vorwärts, Kruſe.“ Und über die Schienen
weg, die vielgleiſig an der Übergangsſtelle lagen,
ging es in Schräglinie den Bahndamm hinunter und
gleich danach an einem ſchon an der Chauſſee gelegenen
Gaſthauſe vorüber, das den Namen „Zum Fürſten
Bismarck“ führte. Denn an eben dieſer Stelle gabelte
der Weg und zweigte, wie rechts nach Keſſin, ſo links
nach Varzin hin ab. Vor dem Gaſthofe ſtand ein mittel¬
großer breitſchultriger Mann in Pelz und Pelzmütze,
welch letztere er, als der Herr Landrat vorüberfuhr,
mit vieler Würde vom Haupte nahm. „Wer war
denn das?“ ſagte Effi, die durch alles, was ſie ſah,
aufs höchſte intereſſiert und ſchon deshalb bei beſter
Laune war. „Er ſah ja aus wie ein Staroſt, wo¬
bei ich freilich bekennen muß, nie einen Staroſten
geſehen zu haben.“
„Was auch nicht ſchadet, Effi. Du haſt es
trotzdem ſehr gut getroffen. Er ſieht wirklich aus
wie ein Staroſt und iſt auch ſo 'was. Er iſt näm¬
5 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/76>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.