Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest lich ein halber Pole, heißt Golchowski, und wennwir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann ist er oben auf. Eigentlich ein ganz unsicherer Passagier, dem ich nicht über den Weg traue, und der wohl viel auf dem Gewissen hat. Er spielt sich aber auf den Loyalen hin aus und wenn die Varziner Herr¬ schaften hier vorüberkommen, möcht' er sich am liebsten vor den Wagen werfen. Ich weiß, daß er dem Fürsten auch widerlich ist. Aber was hilft's? Wir dürfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der Tasche und versteht die Wahlmache wie kein anderer, gilt auch für wohlhabend. Dabei leiht er auf Wucher, was sonst die Polen nicht thun; in der Regel das Gegenteil." "Er sah aber gut aus." "Ja, gut aussehen thut er. Gut aussehen thun "Warum sagst Du mir das? Ich muß nun Effi Brieſt lich ein halber Pole, heißt Golchowski, und wennwir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann iſt er oben auf. Eigentlich ein ganz unſicherer Paſſagier, dem ich nicht über den Weg traue, und der wohl viel auf dem Gewiſſen hat. Er ſpielt ſich aber auf den Loyalen hin aus und wenn die Varziner Herr¬ ſchaften hier vorüberkommen, möcht' er ſich am liebſten vor den Wagen werfen. Ich weiß, daß er dem Fürſten auch widerlich iſt. Aber was hilft's? Wir dürfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der Taſche und verſteht die Wahlmache wie kein anderer, gilt auch für wohlhabend. Dabei leiht er auf Wucher, was ſonſt die Polen nicht thun; in der Regel das Gegenteil.“ „Er ſah aber gut aus.“ „Ja, gut ausſehen thut er. Gut ausſehen thun „Warum ſagſt Du mir das? Ich muß nun <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="68"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> lich ein halber Pole, heißt Golchowski, und wenn<lb/> wir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann iſt er<lb/> oben auf. Eigentlich ein ganz unſicherer Paſſagier,<lb/> dem ich nicht über den Weg traue, und der wohl<lb/> viel auf dem Gewiſſen hat. Er ſpielt ſich aber auf<lb/> den Loyalen hin aus und wenn die Varziner Herr¬<lb/> ſchaften hier vorüberkommen, möcht' er ſich am liebſten<lb/> vor den Wagen werfen. Ich weiß, daß er dem<lb/> Fürſten auch widerlich iſt. Aber was hilft's? Wir<lb/> dürfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn<lb/> brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der<lb/> Taſche und verſteht die Wahlmache wie kein anderer,<lb/> gilt auch für wohlhabend. Dabei leiht er auf<lb/> Wucher, was ſonſt die Polen nicht thun; in der<lb/> Regel das Gegenteil.“</p><lb/> <p>„Er ſah aber gut aus.“</p><lb/> <p>„Ja, gut ausſehen thut er. Gut ausſehen thun<lb/> die meiſten hier. Ein hübſcher Schlag Menſchen.<lb/> Aber das iſt auch das Beſte, was man von ihnen<lb/> ſagen kann Eure märkiſchen Leute ſehen unſchein¬<lb/> barer aus und verdrießlicher, und in ihrer Haltung<lb/> ſind ſie weniger reſpektvoll, eigentlich gar nicht, aber<lb/> ihr Ja iſt Ja und Nein iſt Nein, und man kann<lb/> ſich auf ſie verlaſſen. Hier iſt alles unſicher.“</p><lb/> <p>„Warum ſagſt Du mir das? Ich muß nun<lb/> doch hier mit ihnen leben.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [68/0077]
Effi Brieſt
lich ein halber Pole, heißt Golchowski, und wenn
wir hier Wahl haben oder eine Jagd, dann iſt er
oben auf. Eigentlich ein ganz unſicherer Paſſagier,
dem ich nicht über den Weg traue, und der wohl
viel auf dem Gewiſſen hat. Er ſpielt ſich aber auf
den Loyalen hin aus und wenn die Varziner Herr¬
ſchaften hier vorüberkommen, möcht' er ſich am liebſten
vor den Wagen werfen. Ich weiß, daß er dem
Fürſten auch widerlich iſt. Aber was hilft's? Wir
dürfen es nicht mit ihm verderben, weil wir ihn
brauchen. Er hat hier die ganze Gegend in der
Taſche und verſteht die Wahlmache wie kein anderer,
gilt auch für wohlhabend. Dabei leiht er auf
Wucher, was ſonſt die Polen nicht thun; in der
Regel das Gegenteil.“
„Er ſah aber gut aus.“
„Ja, gut ausſehen thut er. Gut ausſehen thun
die meiſten hier. Ein hübſcher Schlag Menſchen.
Aber das iſt auch das Beſte, was man von ihnen
ſagen kann Eure märkiſchen Leute ſehen unſchein¬
barer aus und verdrießlicher, und in ihrer Haltung
ſind ſie weniger reſpektvoll, eigentlich gar nicht, aber
ihr Ja iſt Ja und Nein iſt Nein, und man kann
ſich auf ſie verlaſſen. Hier iſt alles unſicher.“
„Warum ſagſt Du mir das? Ich muß nun
doch hier mit ihnen leben.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |