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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
vier, fünf Wandleuchter, die Leuchter selbst sehr
primitiv, von bloßem Weißblech, was aber den Glanz
und die Helle nur noch steigerte. Zwei mit roten
Schleiern bedeckte Astrallampen, Hochzeitsgeschenk von
Niemeyer, standen auf einem zwischen zwei Eichen¬
schränken angebrachten Klapptisch, in Front davon
das Theezeug, dessen Lämpchen unter dem Kessel
schon angezündet war. Aber noch viel, viel anderes
und zum Teil sehr Sonderbares kam zu dem allen
hinzu. Quer über den Flur fort liefen drei, die
Flurdecke in ebenso viele Felder teilende Balken;
an dem vordersten hing ein Schiff mit vollen Segeln,
hohem Hinterdeck und Kanonenluken, während weiter¬
hin ein riesiger Fisch in der Luft zu schwimmen
schien. Effi nahm ihren Schirm, den sie noch in
Händen hielt, und stieß leis an das Ungetüm an,
so daß es sich in eine langsam schaukelnde Be¬
wegung setzte.

"Was ist das, Geert?" fragte sie.

"Das ist ein Haifisch."

"Und ganz dahinten das, was aussieht wie eine
große Zigarre vor einem Tabaksladen?"

"Das ist ein junges Krokodil. Aber das kannst
Du Dir alles morgen viel besser und genauer an¬
sehen; jetzt komm und laß uns eine Tasse Thee
nehmen. Denn trotz aller Plaids und Decken wirst

Effi Brieſt
vier, fünf Wandleuchter, die Leuchter ſelbſt ſehr
primitiv, von bloßem Weißblech, was aber den Glanz
und die Helle nur noch ſteigerte. Zwei mit roten
Schleiern bedeckte Aſtrallampen, Hochzeitsgeſchenk von
Niemeyer, ſtanden auf einem zwiſchen zwei Eichen¬
ſchränken angebrachten Klapptiſch, in Front davon
das Theezeug, deſſen Lämpchen unter dem Keſſel
ſchon angezündet war. Aber noch viel, viel anderes
und zum Teil ſehr Sonderbares kam zu dem allen
hinzu. Quer über den Flur fort liefen drei, die
Flurdecke in ebenſo viele Felder teilende Balken;
an dem vorderſten hing ein Schiff mit vollen Segeln,
hohem Hinterdeck und Kanonenluken, während weiter¬
hin ein rieſiger Fiſch in der Luft zu ſchwimmen
ſchien. Effi nahm ihren Schirm, den ſie noch in
Händen hielt, und ſtieß leis an das Ungetüm an,
ſo daß es ſich in eine langſam ſchaukelnde Be¬
wegung ſetzte.

„Was iſt das, Geert?“ fragte ſie.

„Das iſt ein Haifiſch.“

„Und ganz dahinten das, was ausſieht wie eine
große Zigarre vor einem Tabaksladen?“

„Das iſt ein junges Krokodil. Aber das kannſt
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nehmen. Denn trotz aller Plaids und Decken wirſt

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[78/0087] Effi Brieſt vier, fünf Wandleuchter, die Leuchter ſelbſt ſehr primitiv, von bloßem Weißblech, was aber den Glanz und die Helle nur noch ſteigerte. Zwei mit roten Schleiern bedeckte Aſtrallampen, Hochzeitsgeſchenk von Niemeyer, ſtanden auf einem zwiſchen zwei Eichen¬ ſchränken angebrachten Klapptiſch, in Front davon das Theezeug, deſſen Lämpchen unter dem Keſſel ſchon angezündet war. Aber noch viel, viel anderes und zum Teil ſehr Sonderbares kam zu dem allen hinzu. Quer über den Flur fort liefen drei, die Flurdecke in ebenſo viele Felder teilende Balken; an dem vorderſten hing ein Schiff mit vollen Segeln, hohem Hinterdeck und Kanonenluken, während weiter¬ hin ein rieſiger Fiſch in der Luft zu ſchwimmen ſchien. Effi nahm ihren Schirm, den ſie noch in Händen hielt, und ſtieß leis an das Ungetüm an, ſo daß es ſich in eine langſam ſchaukelnde Be¬ wegung ſetzte. „Was iſt das, Geert?“ fragte ſie. „Das iſt ein Haifiſch.“ „Und ganz dahinten das, was ausſieht wie eine große Zigarre vor einem Tabaksladen?“ „Das iſt ein junges Krokodil. Aber das kannſt Du Dir alles morgen viel beſſer und genauer an¬ ſehen; jetzt komm und laß uns eine Taſſe Thee nehmen. Denn trotz aller Plaids und Decken wirſt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/87>, abgerufen am 14.05.2024.