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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Effi stand hinter ihm und umarmte und küßte ihn,
noch eh' er sich von seinem Platz erheben konnte.

"Schon?"

"Schon, sagst Du. Natürlich um mich zu ver¬
spotten."

Innstetten schüttelte den Kopf. "Wie werd'
ich das?" Effi fand aber ein Gefallen daran, sich
anzuklagen, und wollte von den Versicherungen ihres
Mannes, daß sein "schon" ganz aufrichtig gemeint
gewesen sei, nichts hören. "Du mußt noch von der
Reise her wissen, daß ich morgens nie habe warten
lassen. Im Laufe des Tages, nun ja, da ist es
etwas anderes. Es ist wahr, ich bin nicht sehr
pünktlich, aber ich bin keine Langschläferin. Darin,
denk' ich, haben mich die Eltern gut erzogen."

"Darin? In allem, meine süße Effi."

"Das sagst Du so, weil wir noch in den Flitter¬
wochen sind, ... aber nein, wir sind ja schon heraus.
Ums Himmels willen, Geert, daran habe ich noch
gar nicht gedacht, wir sind ja schon über sechs Wochen
verheiratet, sechs Wochen und einen Tag. Ja, das
ist etwas anderes; da nehme ich es nicht mehr als
Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit."

In diesem Augenblicke trat Friedrich ein und
brachte den Kaffee. Der Frühstückstisch stand in
Schräglinie vor einem kleinen rechtwinkligen Sofa,

Effi Brieſt
Effi ſtand hinter ihm und umarmte und küßte ihn,
noch eh' er ſich von ſeinem Platz erheben konnte.

„Schon?“

„Schon, ſagſt Du. Natürlich um mich zu ver¬
ſpotten.“

Innſtetten ſchüttelte den Kopf. „Wie werd'
ich das?“ Effi fand aber ein Gefallen daran, ſich
anzuklagen, und wollte von den Verſicherungen ihres
Mannes, daß ſein „ſchon“ ganz aufrichtig gemeint
geweſen ſei, nichts hören. „Du mußt noch von der
Reiſe her wiſſen, daß ich morgens nie habe warten
laſſen. Im Laufe des Tages, nun ja, da iſt es
etwas anderes. Es iſt wahr, ich bin nicht ſehr
pünktlich, aber ich bin keine Langſchläferin. Darin,
denk' ich, haben mich die Eltern gut erzogen.“

„Darin? In allem, meine ſüße Effi.“

„Das ſagſt Du ſo, weil wir noch in den Flitter¬
wochen ſind, … aber nein, wir ſind ja ſchon heraus.
Ums Himmels willen, Geert, daran habe ich noch
gar nicht gedacht, wir ſind ja ſchon über ſechs Wochen
verheiratet, ſechs Wochen und einen Tag. Ja, das
iſt etwas anderes; da nehme ich es nicht mehr als
Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit.“

In dieſem Augenblicke trat Friedrich ein und
brachte den Kaffee. Der Frühſtückſtiſch ſtand in
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[87/0096] Effi Brieſt Effi ſtand hinter ihm und umarmte und küßte ihn, noch eh' er ſich von ſeinem Platz erheben konnte. „Schon?“ „Schon, ſagſt Du. Natürlich um mich zu ver¬ ſpotten.“ Innſtetten ſchüttelte den Kopf. „Wie werd' ich das?“ Effi fand aber ein Gefallen daran, ſich anzuklagen, und wollte von den Verſicherungen ihres Mannes, daß ſein „ſchon“ ganz aufrichtig gemeint geweſen ſei, nichts hören. „Du mußt noch von der Reiſe her wiſſen, daß ich morgens nie habe warten laſſen. Im Laufe des Tages, nun ja, da iſt es etwas anderes. Es iſt wahr, ich bin nicht ſehr pünktlich, aber ich bin keine Langſchläferin. Darin, denk' ich, haben mich die Eltern gut erzogen.“ „Darin? In allem, meine ſüße Effi.“ „Das ſagſt Du ſo, weil wir noch in den Flitter¬ wochen ſind, … aber nein, wir ſind ja ſchon heraus. Ums Himmels willen, Geert, daran habe ich noch gar nicht gedacht, wir ſind ja ſchon über ſechs Wochen verheiratet, ſechs Wochen und einen Tag. Ja, das iſt etwas anderes; da nehme ich es nicht mehr als Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit.“ In dieſem Augenblicke trat Friedrich ein und brachte den Kaffee. Der Frühſtückſtiſch ſtand in Schräglinie vor einem kleinen rechtwinkligen Sofa,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/96>, abgerufen am 14.05.2024.