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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Nein, nein," lachte die Dörr, "so jung kommen
wir nich wieder zusammen. Un is auch eigentlich
ganz unmöglich, un wenn wir auch morgen schon
wieder zusammen kämen. Denn ein Tag is doch
immer ein Tag und macht auch schon was aus. Und
deshalb is es ganz richtig, daß wir so jung nich
wieder zusammen kommen. Und muß sich jeder ge¬
fallen lassen."

In dieser Tonart ging es noch eine Weile
weiter und die von niemandem bestrittene That¬
sache des täglichen Aelterwerdens gefiel ihr so, daß
sie dieselbe noch einigemale wiederholte. Dann erst
ging sie. Lene begleitete sie bis auf den Flur,
Botho seinerseits aber setzte sich neben Frau Nimptsch
und fragte, während er ihr das von der Schulter
gefallene Umschlagetuch wieder umhing, "ob sie noch
böse sei, daß er ihr die Lene wieder auf ein paar
Stunden entführt habe? Aber es sei so hübsch ge¬
wesen und oben auf dem Pedenhaufen, wo sie sich
ausgeruht und geplaudert hätten, hätten sie der Zeit
ganz vergessen."

"Ja, die Glücklichen vergessen die Zeit," sagte
die Alte. "Und die Jugend is glücklich un is auch
gut so un soll so sein. Aber wenn man alt wird,
lieber Herr Baron, da werden einen die Stunden
lang un man wünscht sich die Tage fort un das
Leben auch."

„Nein, nein,“ lachte die Dörr, „ſo jung kommen
wir nich wieder zuſammen. Un is auch eigentlich
ganz unmöglich, un wenn wir auch morgen ſchon
wieder zuſammen kämen. Denn ein Tag is doch
immer ein Tag und macht auch ſchon was aus. Und
deshalb is es ganz richtig, daß wir ſo jung nich
wieder zuſammen kommen. Und muß ſich jeder ge¬
fallen laſſen.“

In dieſer Tonart ging es noch eine Weile
weiter und die von niemandem beſtrittene That¬
ſache des täglichen Aelterwerdens gefiel ihr ſo, daß
ſie dieſelbe noch einigemale wiederholte. Dann erſt
ging ſie. Lene begleitete ſie bis auf den Flur,
Botho ſeinerſeits aber ſetzte ſich neben Frau Nimptſch
und fragte, während er ihr das von der Schulter
gefallene Umſchlagetuch wieder umhing, „ob ſie noch
böſe ſei, daß er ihr die Lene wieder auf ein paar
Stunden entführt habe? Aber es ſei ſo hübſch ge¬
weſen und oben auf dem Pedenhaufen, wo ſie ſich
ausgeruht und geplaudert hätten, hätten ſie der Zeit
ganz vergeſſen.“

„Ja, die Glücklichen vergeſſen die Zeit,“ ſagte
die Alte. „Und die Jugend is glücklich un is auch
gut ſo un ſoll ſo ſein. Aber wenn man alt wird,
lieber Herr Baron, da werden einen die Stunden
lang un man wünſcht ſich die Tage fort un das
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[92/0102] „Nein, nein,“ lachte die Dörr, „ſo jung kommen wir nich wieder zuſammen. Un is auch eigentlich ganz unmöglich, un wenn wir auch morgen ſchon wieder zuſammen kämen. Denn ein Tag is doch immer ein Tag und macht auch ſchon was aus. Und deshalb is es ganz richtig, daß wir ſo jung nich wieder zuſammen kommen. Und muß ſich jeder ge¬ fallen laſſen.“ In dieſer Tonart ging es noch eine Weile weiter und die von niemandem beſtrittene That¬ ſache des täglichen Aelterwerdens gefiel ihr ſo, daß ſie dieſelbe noch einigemale wiederholte. Dann erſt ging ſie. Lene begleitete ſie bis auf den Flur, Botho ſeinerſeits aber ſetzte ſich neben Frau Nimptſch und fragte, während er ihr das von der Schulter gefallene Umſchlagetuch wieder umhing, „ob ſie noch böſe ſei, daß er ihr die Lene wieder auf ein paar Stunden entführt habe? Aber es ſei ſo hübſch ge¬ weſen und oben auf dem Pedenhaufen, wo ſie ſich ausgeruht und geplaudert hätten, hätten ſie der Zeit ganz vergeſſen.“ „Ja, die Glücklichen vergeſſen die Zeit,“ ſagte die Alte. „Und die Jugend is glücklich un is auch gut ſo un ſoll ſo ſein. Aber wenn man alt wird, lieber Herr Baron, da werden einen die Stunden lang un man wünſcht ſich die Tage fort un das Leben auch.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/102>, abgerufen am 21.11.2024.