Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

sonne schien hell in Botho's Zimmer. Beide Fenster
standen auf und in den Kastanien draußen quiri¬
lierten die Spatzen. Botho selbst, aus einem Meer¬
schaum rauchend, lag zurückgelehnt in seinem Schaukel¬
stuhl und schlug dann und wann mit einem neben
ihm liegenden Taschentuche nach einem großen
Brummer, der, wenn er zu dem einen Fenster
hinaus war, sofort wieder an dem andern erschien,
um Botho hartnäckig und unerbittlich zu umsummen.

"Daß ich diese Bestie doch los wäre. Quälen,
martern möcht' ich sie. Diese Brummer sind alle¬
mal Unglücksboten und so hämisch zudringlich, als
freuten sie sich über den Aerger, dessen Herold und
Verkündiger sie sind." In diesem Augenblicke schlug
er wieder danach. "Wieder fort. Es hilft nichts.
Also Resignation. Ergebung ist überhaupt das
Beste. Die Türken sind die klügsten Leute."

Das Zuschlagen der kleinen Gitterthür draußen
ließ ihn während dieses Selbstgesprächs auf den
Vorgarten blicken und dabei des eben eingetretenen
Briefträgers gewahr werden, der ihm gleich danach,
unter leichtem militärischen Gruß und mit einem
"guten Morgen, Herr Baron" erst eine Zeitung
und dann einen Brief in das nicht allzu hohe
Parterrefenster hineinreichte. Botho warf die Zeitung
bei Seite, zugleich den Brief betrachtend, auf dem
er die kleine, dichtstehende, trotzdem aber sehr deut¬

10 *

ſonne ſchien hell in Botho's Zimmer. Beide Fenſter
ſtanden auf und in den Kaſtanien draußen quiri¬
lierten die Spatzen. Botho ſelbſt, aus einem Meer¬
ſchaum rauchend, lag zurückgelehnt in ſeinem Schaukel¬
ſtuhl und ſchlug dann und wann mit einem neben
ihm liegenden Taſchentuche nach einem großen
Brummer, der, wenn er zu dem einen Fenſter
hinaus war, ſofort wieder an dem andern erſchien,
um Botho hartnäckig und unerbittlich zu umſummen.

„Daß ich dieſe Beſtie doch los wäre. Quälen,
martern möcht' ich ſie. Dieſe Brummer ſind alle¬
mal Unglücksboten und ſo hämiſch zudringlich, als
freuten ſie ſich über den Aerger, deſſen Herold und
Verkündiger ſie ſind.“ In dieſem Augenblicke ſchlug
er wieder danach. „Wieder fort. Es hilft nichts.
Alſo Reſignation. Ergebung iſt überhaupt das
Beſte. Die Türken ſind die klügſten Leute.“

Das Zuſchlagen der kleinen Gitterthür draußen
ließ ihn während dieſes Selbſtgeſprächs auf den
Vorgarten blicken und dabei des eben eingetretenen
Briefträgers gewahr werden, der ihm gleich danach,
unter leichtem militäriſchen Gruß und mit einem
„guten Morgen, Herr Baron“ erſt eine Zeitung
und dann einen Brief in das nicht allzu hohe
Parterrefenſter hineinreichte. Botho warf die Zeitung
bei Seite, zugleich den Brief betrachtend, auf dem
er die kleine, dichtſtehende, trotzdem aber ſehr deut¬

10 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="147"/>
&#x017F;onne &#x017F;chien hell in Botho's Zimmer. Beide Fen&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;tanden auf und in den Ka&#x017F;tanien draußen quiri¬<lb/>
lierten die Spatzen. Botho &#x017F;elb&#x017F;t, aus einem Meer¬<lb/>
&#x017F;chaum rauchend, lag zurückgelehnt in &#x017F;einem Schaukel¬<lb/>
&#x017F;tuhl und &#x017F;chlug dann und wann mit einem neben<lb/>
ihm liegenden Ta&#x017F;chentuche nach einem großen<lb/>
Brummer, der, wenn er zu dem einen Fen&#x017F;ter<lb/>
hinaus war, &#x017F;ofort wieder an dem andern er&#x017F;chien,<lb/>
um Botho hartnäckig und unerbittlich zu um&#x017F;ummen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß ich die&#x017F;e Be&#x017F;tie doch los wäre. Quälen,<lb/>
martern möcht' ich &#x017F;ie. Die&#x017F;e Brummer &#x017F;ind alle¬<lb/>
mal Unglücksboten und &#x017F;o hämi&#x017F;ch zudringlich, als<lb/>
freuten &#x017F;ie &#x017F;ich über den Aerger, de&#x017F;&#x017F;en Herold und<lb/>
Verkündiger &#x017F;ie &#x017F;ind.&#x201C; In die&#x017F;em Augenblicke &#x017F;chlug<lb/>
er wieder danach. &#x201E;Wieder fort. Es hilft nichts.<lb/>
Al&#x017F;o Re&#x017F;ignation. Ergebung i&#x017F;t überhaupt das<lb/>
Be&#x017F;te. Die Türken &#x017F;ind die klüg&#x017F;ten Leute.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Zu&#x017F;chlagen der kleinen Gitterthür draußen<lb/>
ließ ihn während die&#x017F;es Selb&#x017F;tge&#x017F;prächs auf den<lb/>
Vorgarten blicken und dabei des eben eingetretenen<lb/>
Briefträgers gewahr werden, der ihm gleich danach,<lb/>
unter leichtem militäri&#x017F;chen Gruß und mit einem<lb/>
&#x201E;guten Morgen, Herr Baron&#x201C; er&#x017F;t eine Zeitung<lb/>
und dann einen Brief in das nicht allzu hohe<lb/>
Parterrefen&#x017F;ter hineinreichte. Botho warf die Zeitung<lb/>
bei Seite, zugleich den Brief betrachtend, auf dem<lb/>
er die kleine, dicht&#x017F;tehende, trotzdem aber &#x017F;ehr deut¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0157] ſonne ſchien hell in Botho's Zimmer. Beide Fenſter ſtanden auf und in den Kaſtanien draußen quiri¬ lierten die Spatzen. Botho ſelbſt, aus einem Meer¬ ſchaum rauchend, lag zurückgelehnt in ſeinem Schaukel¬ ſtuhl und ſchlug dann und wann mit einem neben ihm liegenden Taſchentuche nach einem großen Brummer, der, wenn er zu dem einen Fenſter hinaus war, ſofort wieder an dem andern erſchien, um Botho hartnäckig und unerbittlich zu umſummen. „Daß ich dieſe Beſtie doch los wäre. Quälen, martern möcht' ich ſie. Dieſe Brummer ſind alle¬ mal Unglücksboten und ſo hämiſch zudringlich, als freuten ſie ſich über den Aerger, deſſen Herold und Verkündiger ſie ſind.“ In dieſem Augenblicke ſchlug er wieder danach. „Wieder fort. Es hilft nichts. Alſo Reſignation. Ergebung iſt überhaupt das Beſte. Die Türken ſind die klügſten Leute.“ Das Zuſchlagen der kleinen Gitterthür draußen ließ ihn während dieſes Selbſtgeſprächs auf den Vorgarten blicken und dabei des eben eingetretenen Briefträgers gewahr werden, der ihm gleich danach, unter leichtem militäriſchen Gruß und mit einem „guten Morgen, Herr Baron“ erſt eine Zeitung und dann einen Brief in das nicht allzu hohe Parterrefenſter hineinreichte. Botho warf die Zeitung bei Seite, zugleich den Brief betrachtend, auf dem er die kleine, dichtſtehende, trotzdem aber ſehr deut¬ 10 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/157
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/157>, abgerufen am 23.11.2024.