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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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unser Glück und Unglück. Und der Tag hat der
Minuten so viele,"

"Nun, ich denk' es mir so. Jeden Morgen
Briefe. Dann Promenaden-Konzert und Spazier¬
gang mit den zwei Damen, am liebsten in einer
verschwiegenen Allee. Da setzen wir uns dann und
lesen uns die Briefe vor, die wir doch hoffentlich
erhalten werden, und lachen, wenn er zärtlich schreibt
und sagen "ja, ja". Und dann kommt das Bad
und nach dem Bade die Toilette, natürlich mit
Sorglichkeit und Liebe, was doch in Schlangenbad
nicht ununterhaltlicher sein kann als in Berlin.
Eher das Gegentheil. Und dann gehen wir zu
Tisch und haben einen alten General zur Rechten
und einen reichen Industriellen zur Linken und für
Industrielle hab' ich von Jugend an eine Passion
gehabt. Eine Passion, deren ich mich recht schäme.
Denn entweder haben sie neue Panzerplatten er¬
funden oder unterseeische Telegraphen gelegt oder
einen Tunnel gebohrt oder eine Kletter-Eisenbahn
angelegt. Und dabei, was ich auch nicht verachte,
sind sie reich. Und nach Tische Lesezimmer und
Kaffee bei heruntergelassenen Jalousieen, so daß
einem die Schatten und Lichter immer auf der
Zeitung umhertanzen. Und dann Spaziergang
Und vielleicht, wenn wir Glück haben, haben sich
sogar ein paar Frankfurter oder Mainzer Kavaliere

unſer Glück und Unglück. Und der Tag hat der
Minuten ſo viele,“

„Nun, ich denk' es mir ſo. Jeden Morgen
Briefe. Dann Promenaden-Konzert und Spazier¬
gang mit den zwei Damen, am liebſten in einer
verſchwiegenen Allee. Da ſetzen wir uns dann und
leſen uns die Briefe vor, die wir doch hoffentlich
erhalten werden, und lachen, wenn er zärtlich ſchreibt
und ſagen „ja, ja“. Und dann kommt das Bad
und nach dem Bade die Toilette, natürlich mit
Sorglichkeit und Liebe, was doch in Schlangenbad
nicht ununterhaltlicher ſein kann als in Berlin.
Eher das Gegentheil. Und dann gehen wir zu
Tiſch und haben einen alten General zur Rechten
und einen reichen Induſtriellen zur Linken und für
Induſtrielle hab' ich von Jugend an eine Paſſion
gehabt. Eine Paſſion, deren ich mich recht ſchäme.
Denn entweder haben ſie neue Panzerplatten er¬
funden oder unterſeeiſche Telegraphen gelegt oder
einen Tunnel gebohrt oder eine Kletter-Eiſenbahn
angelegt. Und dabei, was ich auch nicht verachte,
ſind ſie reich. Und nach Tiſche Leſezimmer und
Kaffee bei heruntergelaſſenen Jalouſieen, ſo daß
einem die Schatten und Lichter immer auf der
Zeitung umhertanzen. Und dann Spaziergang
Und vielleicht, wenn wir Glück haben, haben ſich
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[200/0210] unſer Glück und Unglück. Und der Tag hat der Minuten ſo viele,“ „Nun, ich denk' es mir ſo. Jeden Morgen Briefe. Dann Promenaden-Konzert und Spazier¬ gang mit den zwei Damen, am liebſten in einer verſchwiegenen Allee. Da ſetzen wir uns dann und leſen uns die Briefe vor, die wir doch hoffentlich erhalten werden, und lachen, wenn er zärtlich ſchreibt und ſagen „ja, ja“. Und dann kommt das Bad und nach dem Bade die Toilette, natürlich mit Sorglichkeit und Liebe, was doch in Schlangenbad nicht ununterhaltlicher ſein kann als in Berlin. Eher das Gegentheil. Und dann gehen wir zu Tiſch und haben einen alten General zur Rechten und einen reichen Induſtriellen zur Linken und für Induſtrielle hab' ich von Jugend an eine Paſſion gehabt. Eine Paſſion, deren ich mich recht ſchäme. Denn entweder haben ſie neue Panzerplatten er¬ funden oder unterſeeiſche Telegraphen gelegt oder einen Tunnel gebohrt oder eine Kletter-Eiſenbahn angelegt. Und dabei, was ich auch nicht verachte, ſind ſie reich. Und nach Tiſche Leſezimmer und Kaffee bei heruntergelaſſenen Jalouſieen, ſo daß einem die Schatten und Lichter immer auf der Zeitung umhertanzen. Und dann Spaziergang Und vielleicht, wenn wir Glück haben, haben ſich ſogar ein paar Frankfurter oder Mainzer Kavaliere

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/210>, abgerufen am 24.11.2024.