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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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nicken und ich sehe daraus, daß wir einerlei Meinung
sind, was mich aufrichtig freut. Und nun noch ein
Schlußwort, Herr Franke. Was zurückliegt, liegt
zurück. Können Sie darüber nicht hin, so muß ich
das respektiren. Aber können Sie's, so sag' ich
Ihnen, Sie kriegen da eine selten gute Frau. Denn
sie hat das Herz auf dem rechten Fleck und ein
starkes Gefühl für Pflicht und Recht und Ordnung."

"So hab ich Lenen auch immer gefunden und
ich verspreche mir von ihr, ganz so wie der Herr
Baron sagen, eine selten gute Frau. Ja, der Mensch
soll die Gebote halten, alle soll er sie halten, aber
es ist doch ein Unterschied, je nachdem die Gebote
sind, und wer das eine nicht hält, der kann immer
noch was taugen, wer aber das andere nicht hält
und wenn's auch im Katechismus dicht daneben
stünde, der taugt nichts und ist verworfen, von An¬
fang an und steht außerhalb der Gnade."

Botho sah ihn verwundert an und wußte sicht¬
lich nicht, was er aus dieser feierlichen Ansprache
machen sollte. Gideon Franke aber, der nun auch
seinerseits im Gange war, hatte kein Auge mehr für
den Eindruck, den seine ganz auf eigenem Boden
gewachsenen Anschauungen hervorbrachten, und fuhr
deshalb in einem immer predigerhafter werdenden
Tone fort: "Und wer in seines Fleisches Schwäche
gegen das sechste verstößt, dem kann verziehen

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nicken und ich ſehe daraus, daß wir einerlei Meinung
ſind, was mich aufrichtig freut. Und nun noch ein
Schlußwort, Herr Franke. Was zurückliegt, liegt
zurück. Können Sie darüber nicht hin, ſo muß ich
das reſpektiren. Aber können Sie's, ſo ſag' ich
Ihnen, Sie kriegen da eine ſelten gute Frau. Denn
ſie hat das Herz auf dem rechten Fleck und ein
ſtarkes Gefühl für Pflicht und Recht und Ordnung.“

„So hab ich Lenen auch immer gefunden und
ich verſpreche mir von ihr, ganz ſo wie der Herr
Baron ſagen, eine ſelten gute Frau. Ja, der Menſch
ſoll die Gebote halten, alle ſoll er ſie halten, aber
es iſt doch ein Unterſchied, je nachdem die Gebote
ſind, und wer das eine nicht hält, der kann immer
noch was taugen, wer aber das andere nicht hält
und wenn's auch im Katechismus dicht daneben
ſtünde, der taugt nichts und iſt verworfen, von An¬
fang an und ſteht außerhalb der Gnade.“

Botho ſah ihn verwundert an und wußte ſicht¬
lich nicht, was er aus dieſer feierlichen Anſprache
machen ſollte. Gideon Franke aber, der nun auch
ſeinerſeits im Gange war, hatte kein Auge mehr für
den Eindruck, den ſeine ganz auf eigenem Boden
gewachſenen Anſchauungen hervorbrachten, und fuhr
deshalb in einem immer predigerhafter werdenden
Tone fort: „Und wer in ſeines Fleiſches Schwäche
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[227/0237] nicken und ich ſehe daraus, daß wir einerlei Meinung ſind, was mich aufrichtig freut. Und nun noch ein Schlußwort, Herr Franke. Was zurückliegt, liegt zurück. Können Sie darüber nicht hin, ſo muß ich das reſpektiren. Aber können Sie's, ſo ſag' ich Ihnen, Sie kriegen da eine ſelten gute Frau. Denn ſie hat das Herz auf dem rechten Fleck und ein ſtarkes Gefühl für Pflicht und Recht und Ordnung.“ „So hab ich Lenen auch immer gefunden und ich verſpreche mir von ihr, ganz ſo wie der Herr Baron ſagen, eine ſelten gute Frau. Ja, der Menſch ſoll die Gebote halten, alle ſoll er ſie halten, aber es iſt doch ein Unterſchied, je nachdem die Gebote ſind, und wer das eine nicht hält, der kann immer noch was taugen, wer aber das andere nicht hält und wenn's auch im Katechismus dicht daneben ſtünde, der taugt nichts und iſt verworfen, von An¬ fang an und ſteht außerhalb der Gnade.“ Botho ſah ihn verwundert an und wußte ſicht¬ lich nicht, was er aus dieſer feierlichen Anſprache machen ſollte. Gideon Franke aber, der nun auch ſeinerſeits im Gange war, hatte kein Auge mehr für den Eindruck, den ſeine ganz auf eigenem Boden gewachſenen Anſchauungen hervorbrachten, und fuhr deshalb in einem immer predigerhafter werdenden Tone fort: „Und wer in ſeines Fleiſches Schwäche gegen das ſechſte verſtößt, dem kann verziehen 15*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/237>, abgerufen am 24.11.2024.