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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Balkon, um so vor sich hin zu träumen. Aber es
war stickig unter der herabgelassenen Marquise, dran
zum Ueberfluß auch noch lange blauweiße Franzen
hingen, und so stand er wieder auf, um die große
Leinwand in die Höh zu ziehn. Das half. Die
sich nun einstellende frische Luftströmung that ihm
wohl und aufathmend und bis an die Brüstung
vortretend, sah er über Feld und Wald hin bis auf
die Charlottenburger Schloßkuppel, deren malachit¬
farbne Kupferbekleidung im Glanz der Nachmittags¬
sonne schimmerte.

"Dahinter liegt Spandau," sprach er vor sich
hin. "Und hinter Spandau zieht sich ein Bahn¬
damm und ein Schienengeleise, das bis an den
Rhein läuft. Und auf dem Geleise seh' ich einen
Zug, viele Wagen und in einem der Wagen sitzt
Käthe. Wie sie wohl aussehen mag? O gut; ge¬
wiß. Und wovon sie wohl sprechen mag? Nun,
ich denke mir von allerlei: pikante Badegeschichten
und vielleicht auch von Frau Salinger's Toiletten
und daß es in Berlin doch eigentlich am besten sei.
Und muß ich mich nicht freuen, daß sie wieder¬
kommt? Eine so hübsche Frau, so jung, so glück¬
lich, so heiter. Und ich freue mich auch. Aber
heute darf sie nicht kommen. Um Gottes willen
nicht. Und doch ist es ihr zuzutrauen. Sie hat

Balkon, um ſo vor ſich hin zu träumen. Aber es
war ſtickig unter der herabgelaſſenen Marquiſe, dran
zum Ueberfluß auch noch lange blauweiße Franzen
hingen, und ſo ſtand er wieder auf, um die große
Leinwand in die Höh zu ziehn. Das half. Die
ſich nun einſtellende friſche Luftſtrömung that ihm
wohl und aufathmend und bis an die Brüſtung
vortretend, ſah er über Feld und Wald hin bis auf
die Charlottenburger Schloßkuppel, deren malachit¬
farbne Kupferbekleidung im Glanz der Nachmittags¬
ſonne ſchimmerte.

„Dahinter liegt Spandau,“ ſprach er vor ſich
hin. „Und hinter Spandau zieht ſich ein Bahn¬
damm und ein Schienengeleiſe, das bis an den
Rhein läuft. Und auf dem Geleiſe ſeh' ich einen
Zug, viele Wagen und in einem der Wagen ſitzt
Käthe. Wie ſie wohl ausſehen mag? O gut; ge¬
wiß. Und wovon ſie wohl ſprechen mag? Nun,
ich denke mir von allerlei: pikante Badegeſchichten
und vielleicht auch von Frau Salinger's Toiletten
und daß es in Berlin doch eigentlich am beſten ſei.
Und muß ich mich nicht freuen, daß ſie wieder¬
kommt? Eine ſo hübſche Frau, ſo jung, ſo glück¬
lich, ſo heiter. Und ich freue mich auch. Aber
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[245/0255] Balkon, um ſo vor ſich hin zu träumen. Aber es war ſtickig unter der herabgelaſſenen Marquiſe, dran zum Ueberfluß auch noch lange blauweiße Franzen hingen, und ſo ſtand er wieder auf, um die große Leinwand in die Höh zu ziehn. Das half. Die ſich nun einſtellende friſche Luftſtrömung that ihm wohl und aufathmend und bis an die Brüſtung vortretend, ſah er über Feld und Wald hin bis auf die Charlottenburger Schloßkuppel, deren malachit¬ farbne Kupferbekleidung im Glanz der Nachmittags¬ ſonne ſchimmerte. „Dahinter liegt Spandau,“ ſprach er vor ſich hin. „Und hinter Spandau zieht ſich ein Bahn¬ damm und ein Schienengeleiſe, das bis an den Rhein läuft. Und auf dem Geleiſe ſeh' ich einen Zug, viele Wagen und in einem der Wagen ſitzt Käthe. Wie ſie wohl ausſehen mag? O gut; ge¬ wiß. Und wovon ſie wohl ſprechen mag? Nun, ich denke mir von allerlei: pikante Badegeſchichten und vielleicht auch von Frau Salinger's Toiletten und daß es in Berlin doch eigentlich am beſten ſei. Und muß ich mich nicht freuen, daß ſie wieder¬ kommt? Eine ſo hübſche Frau, ſo jung, ſo glück¬ lich, ſo heiter. Und ich freue mich auch. Aber heute darf ſie nicht kommen. Um Gottes willen nicht. Und doch iſt es ihr zuzutrauen. Sie hat

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/255>, abgerufen am 24.11.2024.