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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Antwort wartete. Sicherheits halber aber stellte
die gute Frau die Frage noch mal und setzte gleich
hinzu: "Kommt er denn heute?"

"Ja. Wenigstens hat er es versprochen."

"Nu sage mal, Lene." fuhr Frau Dörr fort,
"wie kam es denn eigentlich? Mutter Nimptsch sagt
nie was, un wenn sie was sagt, denn is es auch
man immer so so, nich hüh un nich hott. Und
immer blos halb un so confuse. Nu, sage Du
mal. Is es denn wahr, daß es in Stralau war?"

"Ja, Frau Dörr, in Stralau war es, den
zweiten Ostertag, aber schon so warm, als ob
Pfingsten wär', und weil Lina Gansauge gern
Kahn fahren wollte, nahmen wir einen Kahn und
Rudolf, den Sie ja wohl auch kennen, und der ein
Bruder von Lina ist, setzte sich ans Steuer."

"Jott, Rudolf. Rudolf is ja noch ein Junge."

"Freilich. Aber er meinte, daß er's verstünde,
und sagte blos immer: "Mächens, ihr müßt still
sitzen; ihr schunkelt so," denn er spricht so furchtbar
berlinsch. Aber wir dachten gar nicht dran, weil
wir gleich sahen, daß es mit seiner ganzen Steuerei
nicht weit her sei. Zuletzt aber vergaßen wir's
wieder und ließen uns treiben und neckten uns mit
denen, die vorbei kamen und uns mit Wasser be¬
spritzten. Und in dem einen Boote, das mit unsrem
dieselbe Richtung hatte, saßen ein paar sehr feine

Antwort wartete. Sicherheits halber aber ſtellte
die gute Frau die Frage noch mal und ſetzte gleich
hinzu: „Kommt er denn heute?“

„Ja. Wenigſtens hat er es verſprochen.“

„Nu ſage mal, Lene.“ fuhr Frau Dörr fort,
„wie kam es denn eigentlich? Mutter Nimptſch ſagt
nie was, un wenn ſie was ſagt, denn is es auch
man immer ſo ſo, nich hüh un nich hott. Und
immer blos halb un ſo confuſe. Nu, ſage Du
mal. Is es denn wahr, daß es in Stralau war?“

„Ja, Frau Dörr, in Stralau war es, den
zweiten Oſtertag, aber ſchon ſo warm, als ob
Pfingſten wär', und weil Lina Gansauge gern
Kahn fahren wollte, nahmen wir einen Kahn und
Rudolf, den Sie ja wohl auch kennen, und der ein
Bruder von Lina iſt, ſetzte ſich ans Steuer.“

„Jott, Rudolf. Rudolf is ja noch ein Junge.“

„Freilich. Aber er meinte, daß er's verſtünde,
und ſagte blos immer: „Mächens, ihr müßt ſtill
ſitzen; ihr ſchunkelt ſo,“ denn er ſpricht ſo furchtbar
berlinſch. Aber wir dachten gar nicht dran, weil
wir gleich ſahen, daß es mit ſeiner ganzen Steuerei
nicht weit her ſei. Zuletzt aber vergaßen wir's
wieder und ließen uns treiben und neckten uns mit
denen, die vorbei kamen und uns mit Waſſer be¬
ſpritzten. Und in dem einen Boote, das mit unſrem
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[21/0031] Antwort wartete. Sicherheits halber aber ſtellte die gute Frau die Frage noch mal und ſetzte gleich hinzu: „Kommt er denn heute?“ „Ja. Wenigſtens hat er es verſprochen.“ „Nu ſage mal, Lene.“ fuhr Frau Dörr fort, „wie kam es denn eigentlich? Mutter Nimptſch ſagt nie was, un wenn ſie was ſagt, denn is es auch man immer ſo ſo, nich hüh un nich hott. Und immer blos halb un ſo confuſe. Nu, ſage Du mal. Is es denn wahr, daß es in Stralau war?“ „Ja, Frau Dörr, in Stralau war es, den zweiten Oſtertag, aber ſchon ſo warm, als ob Pfingſten wär', und weil Lina Gansauge gern Kahn fahren wollte, nahmen wir einen Kahn und Rudolf, den Sie ja wohl auch kennen, und der ein Bruder von Lina iſt, ſetzte ſich ans Steuer.“ „Jott, Rudolf. Rudolf is ja noch ein Junge.“ „Freilich. Aber er meinte, daß er's verſtünde, und ſagte blos immer: „Mächens, ihr müßt ſtill ſitzen; ihr ſchunkelt ſo,“ denn er ſpricht ſo furchtbar berlinſch. Aber wir dachten gar nicht dran, weil wir gleich ſahen, daß es mit ſeiner ganzen Steuerei nicht weit her ſei. Zuletzt aber vergaßen wir's wieder und ließen uns treiben und neckten uns mit denen, die vorbei kamen und uns mit Waſſer be¬ ſpritzten. Und in dem einen Boote, das mit unſrem dieſelbe Richtung hatte, ſaßen ein paar ſehr feine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/31>, abgerufen am 21.11.2024.