Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Herren, die beständig grüßten, und in unsrem Ueber¬
muthe grüßten wir wieder und Lina wehte sogar
mit dem Taschentuch und that als ob sie die Herren
kenne, was aber gar nicht der Fall war, und wollte
sich blos zeigen, weil sie noch so sehr jung ist.
Und während wir noch so lachten und scherzten
und mit dem Ruder blos so spielten, sahen wir mit
einem Male, daß von Treptow her das Dampfschiff
auf uns zukam und wie Sie sich denken können,
liebe Frau Dörr, waren wir auf den Tod erschrocken
und riefen in unserer Angst Rudolfen zu, daß er
uns heraussteuern solle. Der Junge war aber aus
Rand und Band und steuerte blos so, daß wir uns
beständig im Kreise drehten. Und nun schrieen wir
und wären sicherlich überfahren worden, wenn nicht
in eben diesem Augenblicke das andre Boot mit den
zwei Herren sich unsrer Noth erbarmt hätte. Mit
ein paar Schlägen war es neben uns und während
der eine mit einem Bootshaken uns fest und scharf
heranzog und an das eigne Boot ankoppelte, ruderte
der andre sich und uns aus dem Strudel heraus
und nur einmal war es noch, als ob die große,
vom Dampfschiff her auf uns zukommende Welle
uns umwerfen wolle. Der Capitain drohte denn
auch wirklich mit dem Finger (ich sah es inmitten
all meiner Angst), aber auch das ging vorüber und
eine Minute später waren wir bis an Stralau

Herren, die beſtändig grüßten, und in unſrem Ueber¬
muthe grüßten wir wieder und Lina wehte ſogar
mit dem Taſchentuch und that als ob ſie die Herren
kenne, was aber gar nicht der Fall war, und wollte
ſich blos zeigen, weil ſie noch ſo ſehr jung iſt.
Und während wir noch ſo lachten und ſcherzten
und mit dem Ruder blos ſo ſpielten, ſahen wir mit
einem Male, daß von Treptow her das Dampfſchiff
auf uns zukam und wie Sie ſich denken können,
liebe Frau Dörr, waren wir auf den Tod erſchrocken
und riefen in unſerer Angſt Rudolfen zu, daß er
uns herausſteuern ſolle. Der Junge war aber aus
Rand und Band und ſteuerte blos ſo, daß wir uns
beſtändig im Kreiſe drehten. Und nun ſchrieen wir
und wären ſicherlich überfahren worden, wenn nicht
in eben dieſem Augenblicke das andre Boot mit den
zwei Herren ſich unſrer Noth erbarmt hätte. Mit
ein paar Schlägen war es neben uns und während
der eine mit einem Bootshaken uns feſt und ſcharf
heranzog und an das eigne Boot ankoppelte, ruderte
der andre ſich und uns aus dem Strudel heraus
und nur einmal war es noch‚ als ob die große,
vom Dampfſchiff her auf uns zukommende Welle
uns umwerfen wolle. Der Capitain drohte denn
auch wirklich mit dem Finger (ich ſah es inmitten
all meiner Angſt), aber auch das ging vorüber und
eine Minute ſpäter waren wir bis an Stralau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
Herren, die be&#x017F;tändig grüßten, und in un&#x017F;rem Ueber¬<lb/>
muthe grüßten wir wieder und Lina wehte &#x017F;ogar<lb/>
mit dem Ta&#x017F;chentuch und that als ob &#x017F;ie die Herren<lb/>
kenne, was aber gar nicht der Fall war, und wollte<lb/>
&#x017F;ich blos zeigen, weil &#x017F;ie noch &#x017F;o &#x017F;ehr jung i&#x017F;t.<lb/>
Und während wir noch &#x017F;o lachten und &#x017F;cherzten<lb/>
und mit dem Ruder blos &#x017F;o &#x017F;pielten, &#x017F;ahen wir mit<lb/>
einem Male, daß von Treptow her das Dampf&#x017F;chiff<lb/>
auf uns zukam und wie Sie &#x017F;ich denken können,<lb/>
liebe Frau Dörr, waren wir auf den Tod er&#x017F;chrocken<lb/>
und riefen in un&#x017F;erer Ang&#x017F;t Rudolfen zu, daß er<lb/>
uns heraus&#x017F;teuern &#x017F;olle. Der Junge war aber aus<lb/>
Rand und Band und &#x017F;teuerte blos &#x017F;o, daß wir uns<lb/>
be&#x017F;tändig im Krei&#x017F;e drehten. Und nun &#x017F;chrieen wir<lb/>
und wären &#x017F;icherlich überfahren worden, wenn nicht<lb/>
in eben die&#x017F;em Augenblicke das andre Boot mit den<lb/>
zwei Herren &#x017F;ich un&#x017F;rer Noth erbarmt hätte. Mit<lb/>
ein paar Schlägen war es neben uns und während<lb/>
der eine mit einem Bootshaken uns fe&#x017F;t und &#x017F;charf<lb/>
heranzog und an das eigne Boot ankoppelte, ruderte<lb/>
der andre &#x017F;ich und uns aus dem Strudel heraus<lb/>
und nur einmal war es noch&#x201A; als ob die große,<lb/>
vom Dampf&#x017F;chiff her auf uns zukommende Welle<lb/>
uns umwerfen wolle. Der Capitain drohte denn<lb/>
auch wirklich mit dem Finger (ich &#x017F;ah es inmitten<lb/>
all meiner Ang&#x017F;t), aber auch das ging vorüber und<lb/>
eine Minute &#x017F;päter waren wir bis an Stralau<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] Herren, die beſtändig grüßten, und in unſrem Ueber¬ muthe grüßten wir wieder und Lina wehte ſogar mit dem Taſchentuch und that als ob ſie die Herren kenne, was aber gar nicht der Fall war, und wollte ſich blos zeigen, weil ſie noch ſo ſehr jung iſt. Und während wir noch ſo lachten und ſcherzten und mit dem Ruder blos ſo ſpielten, ſahen wir mit einem Male, daß von Treptow her das Dampfſchiff auf uns zukam und wie Sie ſich denken können, liebe Frau Dörr, waren wir auf den Tod erſchrocken und riefen in unſerer Angſt Rudolfen zu, daß er uns herausſteuern ſolle. Der Junge war aber aus Rand und Band und ſteuerte blos ſo, daß wir uns beſtändig im Kreiſe drehten. Und nun ſchrieen wir und wären ſicherlich überfahren worden, wenn nicht in eben dieſem Augenblicke das andre Boot mit den zwei Herren ſich unſrer Noth erbarmt hätte. Mit ein paar Schlägen war es neben uns und während der eine mit einem Bootshaken uns feſt und ſcharf heranzog und an das eigne Boot ankoppelte, ruderte der andre ſich und uns aus dem Strudel heraus und nur einmal war es noch‚ als ob die große, vom Dampfſchiff her auf uns zukommende Welle uns umwerfen wolle. Der Capitain drohte denn auch wirklich mit dem Finger (ich ſah es inmitten all meiner Angſt), aber auch das ging vorüber und eine Minute ſpäter waren wir bis an Stralau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/32
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/32>, abgerufen am 21.11.2024.