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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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bis an die vorderste Häuserreihe von Wilmersdorf
zogen.

"Nun blos da noch 'rauf," sagte Frau Dörr,
"und dann setzen wir uns und pflücken Butterblumen
und flechten uns einen Stengelkranz. Jott, das
macht immer so viel Spaß, wenn man den einen
Stengel in den andern piekt, bis der Kranz fertig
is oder die Kette."

"Wohl, wohl," sagte Lene, der es heute beschieden
war, aus kleinen Verlegenheiten gar nicht heraus
zu kommen. "Wohl, wohl. Aber nun kommen Sie,
Frau Dörr; hier geht der Weg."

Und so sprechend, stiegen sie den niedrigen Ab¬
hang hinauf und setzten sich, oben angekommen, auf
einen hier seit letztem Herbst schon aus Peden und
Nesseln zusammengekarrten Unkrauthaufen Dieser
Pedenhaufen war ein prächtiger Ruheplatz, zugleich
auch ein Aussichtspunkt, von dem aus man über
einen von Werft und Weiden eingefaßten Graben
hin nicht nur die nördliche Häuserreihe von Wilmers¬
dorf überblicken, sondern auch von einer benachbarten
Kegelbahn-Tabagie her das Fallen der Kegel und
vor allem das Zurückrollen der Kugel auf zwei
klapprigen Latten in aller Deutlichkeit hören konnte.
Lene vergnügte sich über die Maßen darüber, nahm
Botho's Hand und sagte: "Sieh, Botho, ich weiß
so gut Bescheid damit (denn als Kind wohnten wir

bis an die vorderſte Häuſerreihe von Wilmersdorf
zogen.

„Nun blos da noch 'rauf,“ ſagte Frau Dörr,
„und dann ſetzen wir uns und pflücken Butterblumen
und flechten uns einen Stengelkranz. Jott, das
macht immer ſo viel Spaß, wenn man den einen
Stengel in den andern piekt, bis der Kranz fertig
is oder die Kette.“

„Wohl, wohl,“ ſagte Lene, der es heute beſchieden
war, aus kleinen Verlegenheiten gar nicht heraus
zu kommen. „Wohl, wohl. Aber nun kommen Sie,
Frau Dörr; hier geht der Weg.“

Und ſo ſprechend, ſtiegen ſie den niedrigen Ab¬
hang hinauf und ſetzten ſich, oben angekommen, auf
einen hier ſeit letztem Herbſt ſchon aus Peden und
Neſſeln zuſammengekarrten Unkrauthaufen Dieſer
Pedenhaufen war ein prächtiger Ruheplatz, zugleich
auch ein Ausſichtspunkt, von dem aus man über
einen von Werft und Weiden eingefaßten Graben
hin nicht nur die nördliche Häuſerreihe von Wilmers¬
dorf überblicken, ſondern auch von einer benachbarten
Kegelbahn-Tabagie her das Fallen der Kegel und
vor allem das Zurückrollen der Kugel auf zwei
klapprigen Latten in aller Deutlichkeit hören konnte.
Lene vergnügte ſich über die Maßen darüber, nahm
Botho's Hand und ſagte: „Sieh, Botho, ich weiß
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[86/0096] bis an die vorderſte Häuſerreihe von Wilmersdorf zogen. „Nun blos da noch 'rauf,“ ſagte Frau Dörr, „und dann ſetzen wir uns und pflücken Butterblumen und flechten uns einen Stengelkranz. Jott, das macht immer ſo viel Spaß, wenn man den einen Stengel in den andern piekt, bis der Kranz fertig is oder die Kette.“ „Wohl, wohl,“ ſagte Lene, der es heute beſchieden war, aus kleinen Verlegenheiten gar nicht heraus zu kommen. „Wohl, wohl. Aber nun kommen Sie, Frau Dörr; hier geht der Weg.“ Und ſo ſprechend, ſtiegen ſie den niedrigen Ab¬ hang hinauf und ſetzten ſich, oben angekommen, auf einen hier ſeit letztem Herbſt ſchon aus Peden und Neſſeln zuſammengekarrten Unkrauthaufen Dieſer Pedenhaufen war ein prächtiger Ruheplatz, zugleich auch ein Ausſichtspunkt, von dem aus man über einen von Werft und Weiden eingefaßten Graben hin nicht nur die nördliche Häuſerreihe von Wilmers¬ dorf überblicken, ſondern auch von einer benachbarten Kegelbahn-Tabagie her das Fallen der Kegel und vor allem das Zurückrollen der Kugel auf zwei klapprigen Latten in aller Deutlichkeit hören konnte. Lene vergnügte ſich über die Maßen darüber, nahm Botho's Hand und ſagte: „Sieh, Botho, ich weiß ſo gut Beſcheid damit (denn als Kind wohnten wir

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/96>, abgerufen am 24.11.2024.