Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

er, Ende des vorigen Jahrhunderts, ein schon in gutem Ansehen stehendes Geschäft erwarb. Es gelang ihm dies Ansehn zu steigern, aber die volle Blüthe stellte sich doch erst unter seinem ältesten Sohn, Heinrich August ein, geboren 1776, gestorben 1855.

Dieser Heinrich August hieß, als wir 1827 nach Swinemünde kamen, bereits der "alte Schöneberg," was in so weit ganz in der Ordnung war, als ihm, dem freilich erst 51 jährigen, bereits ein junger Schöneberg im Geschäft zur Seite stand. Dies Schöneberg'sche Geschäftshaus war ein großes Eckhaus am Marktplatz und meine Mutter, wenn es sich um Einkäufe handelte, dahin begleiten zu dürfen, gewährte mir jedesmal eine große Freude. Was ich da sah, war mir eine fremde Welt. In Ruppin gab es natürlich auch Kaufläden, in denen man in dem einen allerlei Colonialwaren, in dem anderen Tuch oder Leinwand und in einem dritten irdenes Geschirr kaufen konnte. Diese Läden aber hatten samt und sonders etwas Kleines und Spießbürgerliches, das der Phantasie nirgends Nahrung gab und wenn es gar Winter war, so konnten einem die armen halberfrorenen Lehrlinge mit ihren braunen Pulswärmern und den Handschuhen ohne Finger vollends die Freude verderben. Von all diesem

er, Ende des vorigen Jahrhunderts, ein schon in gutem Ansehen stehendes Geschäft erwarb. Es gelang ihm dies Ansehn zu steigern, aber die volle Blüthe stellte sich doch erst unter seinem ältesten Sohn, Heinrich August ein, geboren 1776, gestorben 1855.

Dieser Heinrich August hieß, als wir 1827 nach Swinemünde kamen, bereits der „alte Schöneberg,“ was in so weit ganz in der Ordnung war, als ihm, dem freilich erst 51 jährigen, bereits ein junger Schöneberg im Geschäft zur Seite stand. Dies Schöneberg’sche Geschäftshaus war ein großes Eckhaus am Marktplatz und meine Mutter, wenn es sich um Einkäufe handelte, dahin begleiten zu dürfen, gewährte mir jedesmal eine große Freude. Was ich da sah, war mir eine fremde Welt. In Ruppin gab es natürlich auch Kaufläden, in denen man in dem einen allerlei Colonialwaren, in dem anderen Tuch oder Leinwand und in einem dritten irdenes Geschirr kaufen konnte. Diese Läden aber hatten samt und sonders etwas Kleines und Spießbürgerliches, das der Phantasie nirgends Nahrung gab und wenn es gar Winter war, so konnten einem die armen halberfrorenen Lehrlinge mit ihren braunen Pulswärmern und den Handschuhen ohne Finger vollends die Freude verderben. Von all diesem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="110"/>
er, Ende des vorigen Jahrhunderts, ein schon in gutem Ansehen stehendes Geschäft erwarb. Es gelang ihm dies Ansehn zu steigern, aber die volle Blüthe stellte sich doch erst unter seinem ältesten Sohn, Heinrich August ein, geboren 1776, gestorben 1855.</p>
        <p>Dieser Heinrich August hieß, als wir 1827 nach Swinemünde kamen, bereits der &#x201E;<hi rendition="#g">alte Schöneberg</hi>,&#x201C; was in so weit ganz in der Ordnung war, als ihm, dem freilich erst 51 jährigen, bereits ein junger Schöneberg im Geschäft zur Seite stand. Dies Schöneberg&#x2019;sche Geschäftshaus war ein großes Eckhaus am Marktplatz und meine Mutter, wenn es sich um Einkäufe handelte, dahin begleiten zu dürfen, gewährte mir jedesmal eine große Freude. Was ich da sah, war mir eine fremde Welt. In Ruppin gab es natürlich auch Kaufläden, in denen man in dem einen allerlei Colonialwaren, in dem anderen Tuch oder Leinwand und in einem dritten irdenes Geschirr kaufen konnte. Diese Läden aber hatten samt und sonders etwas Kleines und Spießbürgerliches, das der Phantasie nirgends Nahrung gab und wenn es gar Winter war, so konnten einem die armen halberfrorenen Lehrlinge mit ihren braunen Pulswärmern und den Handschuhen ohne Finger vollends die Freude verderben. Von all diesem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] er, Ende des vorigen Jahrhunderts, ein schon in gutem Ansehen stehendes Geschäft erwarb. Es gelang ihm dies Ansehn zu steigern, aber die volle Blüthe stellte sich doch erst unter seinem ältesten Sohn, Heinrich August ein, geboren 1776, gestorben 1855. Dieser Heinrich August hieß, als wir 1827 nach Swinemünde kamen, bereits der „alte Schöneberg,“ was in so weit ganz in der Ordnung war, als ihm, dem freilich erst 51 jährigen, bereits ein junger Schöneberg im Geschäft zur Seite stand. Dies Schöneberg’sche Geschäftshaus war ein großes Eckhaus am Marktplatz und meine Mutter, wenn es sich um Einkäufe handelte, dahin begleiten zu dürfen, gewährte mir jedesmal eine große Freude. Was ich da sah, war mir eine fremde Welt. In Ruppin gab es natürlich auch Kaufläden, in denen man in dem einen allerlei Colonialwaren, in dem anderen Tuch oder Leinwand und in einem dritten irdenes Geschirr kaufen konnte. Diese Läden aber hatten samt und sonders etwas Kleines und Spießbürgerliches, das der Phantasie nirgends Nahrung gab und wenn es gar Winter war, so konnten einem die armen halberfrorenen Lehrlinge mit ihren braunen Pulswärmern und den Handschuhen ohne Finger vollends die Freude verderben. Von all diesem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/118
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/118>, abgerufen am 21.11.2024.