Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

die über die Welt hin zerstreut, innerhalb ihres ursprünglich gewählten Kaufmannsberufes verblieben, hatten, in der Kunst dilettirend, ganz ausgesprochen den dichterischen Zug oder führten ein Leben, das einer romantischen Dichtung gleichkam, unter ihnen Theodor Scherenberg (Christian Friedrichs älterer Bruder) der 1813 in Abenteurerlust und patriotischem Uebereifer mit kaum sechszehn Jahren in den Krieg zog und ein paar Wochen später bei Dennewitz fiel.

Die Beziehungen meiner Eltern, besonders meiner Mutter, zu dem Scherenberg'schen Hause, waren sehr freundliche; wir Kinder aber, vielleicht weil der alte Scherenberg schon ein Schwerkranker war, überschritten kaum jemals die Schwelle des Hauses. Desto deutlicher hab ich dies Haus selbst in seiner äußeren Erscheinung in Erinnerung: ein sauberer Bau mit aufgesetztem Frontgiebel und schönen alten Linden davor. Kam dann der Sommer, so hörte man das

die Devrients weisen Schauspieler und immer wieder Schauspieler auf, die Vernets immer wieder Maler. Die Scherenbergs aber, und darin liegt die Besonderheit ihres Falles, waren zunächst immer wieder Kaufleute; sie wurden nicht durch Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt schon vorfanden, in die Kunst eingeführt, sondern hatten sich den Eintritt in dieselbe meist erst durch Ueberwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu erobern.

die über die Welt hin zerstreut, innerhalb ihres ursprünglich gewählten Kaufmannsberufes verblieben, hatten, in der Kunst dilettirend, ganz ausgesprochen den dichterischen Zug oder führten ein Leben, das einer romantischen Dichtung gleichkam, unter ihnen Theodor Scherenberg (Christian Friedrichs älterer Bruder) der 1813 in Abenteurerlust und patriotischem Uebereifer mit kaum sechszehn Jahren in den Krieg zog und ein paar Wochen später bei Dennewitz fiel.

Die Beziehungen meiner Eltern, besonders meiner Mutter, zu dem Scherenberg’schen Hause, waren sehr freundliche; wir Kinder aber, vielleicht weil der alte Scherenberg schon ein Schwerkranker war, überschritten kaum jemals die Schwelle des Hauses. Desto deutlicher hab ich dies Haus selbst in seiner äußeren Erscheinung in Erinnerung: ein sauberer Bau mit aufgesetztem Frontgiebel und schönen alten Linden davor. Kam dann der Sommer, so hörte man das

die Devrients weisen Schauspieler und immer wieder Schauspieler auf, die Vernets immer wieder Maler. Die Scherenbergs aber, und darin liegt die Besonderheit ihres Falles, waren zunächst immer wieder Kaufleute; sie wurden nicht durch Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt schon vorfanden, in die Kunst eingeführt, sondern hatten sich den Eintritt in dieselbe meist erst durch Ueberwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu erobern.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="115"/>
die über die Welt hin zerstreut, innerhalb ihres ursprünglich gewählten Kaufmannsberufes verblieben, hatten, in der Kunst dilettirend, ganz ausgesprochen den dichterischen Zug oder führten ein Leben, das einer romantischen Dichtung gleichkam, unter ihnen <hi rendition="#g">Theodor</hi> Scherenberg (Christian Friedrichs älterer Bruder) der 1813 in Abenteurerlust und patriotischem Uebereifer mit kaum sechszehn Jahren in den Krieg zog und ein paar Wochen später bei Dennewitz fiel.</p>
        <p>Die Beziehungen meiner Eltern, besonders meiner Mutter, zu dem Scherenberg&#x2019;schen Hause, waren sehr freundliche; wir Kinder aber, vielleicht weil der alte Scherenberg schon ein Schwerkranker war, überschritten kaum jemals die Schwelle des Hauses. Desto deutlicher hab ich dies Haus selbst in seiner äußeren Erscheinung in Erinnerung: ein sauberer Bau mit aufgesetztem Frontgiebel und schönen alten Linden davor. Kam dann der Sommer, so hörte man das                      <note xml:id="note-0123" prev="#note-0122" place="foot" n="*)">die Devrients weisen Schauspieler und immer wieder Schauspieler auf, die Vernets immer wieder Maler. Die Scherenbergs aber, und darin liegt die Besonderheit ihres Falles, waren zunächst immer wieder Kaufleute; sie wurden nicht durch Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt schon vorfanden, in die Kunst eingeführt, sondern hatten sich den Eintritt in dieselbe meist erst durch Ueberwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu erobern.</note>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0123] die über die Welt hin zerstreut, innerhalb ihres ursprünglich gewählten Kaufmannsberufes verblieben, hatten, in der Kunst dilettirend, ganz ausgesprochen den dichterischen Zug oder führten ein Leben, das einer romantischen Dichtung gleichkam, unter ihnen Theodor Scherenberg (Christian Friedrichs älterer Bruder) der 1813 in Abenteurerlust und patriotischem Uebereifer mit kaum sechszehn Jahren in den Krieg zog und ein paar Wochen später bei Dennewitz fiel. Die Beziehungen meiner Eltern, besonders meiner Mutter, zu dem Scherenberg’schen Hause, waren sehr freundliche; wir Kinder aber, vielleicht weil der alte Scherenberg schon ein Schwerkranker war, überschritten kaum jemals die Schwelle des Hauses. Desto deutlicher hab ich dies Haus selbst in seiner äußeren Erscheinung in Erinnerung: ein sauberer Bau mit aufgesetztem Frontgiebel und schönen alten Linden davor. Kam dann der Sommer, so hörte man das *) *) die Devrients weisen Schauspieler und immer wieder Schauspieler auf, die Vernets immer wieder Maler. Die Scherenbergs aber, und darin liegt die Besonderheit ihres Falles, waren zunächst immer wieder Kaufleute; sie wurden nicht durch Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt schon vorfanden, in die Kunst eingeführt, sondern hatten sich den Eintritt in dieselbe meist erst durch Ueberwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu erobern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/123
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/123>, abgerufen am 21.11.2024.