Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

gehe noch jetzt in die Schule und lerne von Leuten, die meine Enkel sein könnten.

So viel über die gute Schröder und nachdem ich ihrer in diesem Exkurse gedacht habe, frage ich noch einmal: "ja, wie lebten wir?" Ich gedenke es in einer Reihe von Bildern zu zeigen und um Ordnung und Ueberblick in die Sache zu bringen, wird es gut sein, das Leben, wie wir es führten, in zwei Hälften zu theilen, in ein Sommer- und in ein Winterleben.

Da war nun also zunächst das Sommerleben. Um Mitte Juni hatten wir regelmäßig das Haus voll Besuch, denn meine Mutter hielt noch, nach alter Sitte, zu Verwandten, was wir Kinder nur sehr unvollkommen von ihr geerbt haben. Aber wohlverstanden, sie hielt zu Verwandten, nicht um Vortheile von ihnen zu haben, sondern um Vortheile zu gewähren. Sie war unglaublich generös und es gab Zeiten, wo wir, schon erwachsen, uns die Frage vorlegten, welche Passion eigentlich bedrohlicher für uns sei, die Spielpassion des Vaters oder die Schenk- und Gebepassion der Mutter. Schließlich wußten wir aber Bescheid in dieser Frage. Was der Vater that, war das reine weggeworfene Geld, was die Mutter zu viel ausgab, war immer selbstsuchtslos ausgegeben und barg

gehe noch jetzt in die Schule und lerne von Leuten, die meine Enkel sein könnten.

So viel über die gute Schröder und nachdem ich ihrer in diesem Exkurse gedacht habe, frage ich noch einmal: „ja, wie lebten wir?“ Ich gedenke es in einer Reihe von Bildern zu zeigen und um Ordnung und Ueberblick in die Sache zu bringen, wird es gut sein, das Leben, wie wir es führten, in zwei Hälften zu theilen, in ein Sommer- und in ein Winterleben.

Da war nun also zunächst das Sommerleben. Um Mitte Juni hatten wir regelmäßig das Haus voll Besuch, denn meine Mutter hielt noch, nach alter Sitte, zu Verwandten, was wir Kinder nur sehr unvollkommen von ihr geerbt haben. Aber wohlverstanden, sie hielt zu Verwandten, nicht um Vortheile von ihnen zu haben, sondern um Vortheile zu gewähren. Sie war unglaublich generös und es gab Zeiten, wo wir, schon erwachsen, uns die Frage vorlegten, welche Passion eigentlich bedrohlicher für uns sei, die Spielpassion des Vaters oder die Schenk- und Gebepassion der Mutter. Schließlich wußten wir aber Bescheid in dieser Frage. Was der Vater that, war das reine weggeworfene Geld, was die Mutter zu viel ausgab, war immer selbstsuchtslos ausgegeben und barg

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="137"/>
gehe noch jetzt in die Schule und lerne von Leuten, die meine Enkel sein könnten.</p>
        <p>So viel über die gute Schröder und nachdem ich ihrer in diesem Exkurse gedacht habe, frage ich noch einmal: &#x201E;ja, wie lebten wir?&#x201C; Ich gedenke es in einer Reihe von Bildern zu zeigen und um Ordnung und Ueberblick in die Sache zu bringen, wird es gut sein, das Leben, wie wir es führten, in zwei Hälften zu theilen, in ein Sommer- und in ein Winterleben.</p>
        <p>Da war nun also zunächst das <hi rendition="#g">Sommerleben</hi>. Um Mitte Juni hatten wir regelmäßig das Haus voll Besuch, denn meine Mutter hielt noch, nach alter Sitte, zu Verwandten, was wir Kinder nur sehr unvollkommen von ihr geerbt haben. Aber wohlverstanden, sie hielt zu Verwandten, nicht um Vortheile von ihnen zu haben, sondern um Vortheile zu gewähren. Sie war unglaublich generös und es gab Zeiten, wo wir, schon erwachsen, uns die Frage vorlegten, welche Passion eigentlich bedrohlicher für uns sei, die Spielpassion des Vaters oder die Schenk- und Gebepassion der Mutter. Schließlich wußten wir aber Bescheid in dieser Frage. Was der Vater that, war das reine weggeworfene Geld, was die Mutter zu viel ausgab, war immer selbstsuchtslos ausgegeben und barg
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0145] gehe noch jetzt in die Schule und lerne von Leuten, die meine Enkel sein könnten. So viel über die gute Schröder und nachdem ich ihrer in diesem Exkurse gedacht habe, frage ich noch einmal: „ja, wie lebten wir?“ Ich gedenke es in einer Reihe von Bildern zu zeigen und um Ordnung und Ueberblick in die Sache zu bringen, wird es gut sein, das Leben, wie wir es führten, in zwei Hälften zu theilen, in ein Sommer- und in ein Winterleben. Da war nun also zunächst das Sommerleben. Um Mitte Juni hatten wir regelmäßig das Haus voll Besuch, denn meine Mutter hielt noch, nach alter Sitte, zu Verwandten, was wir Kinder nur sehr unvollkommen von ihr geerbt haben. Aber wohlverstanden, sie hielt zu Verwandten, nicht um Vortheile von ihnen zu haben, sondern um Vortheile zu gewähren. Sie war unglaublich generös und es gab Zeiten, wo wir, schon erwachsen, uns die Frage vorlegten, welche Passion eigentlich bedrohlicher für uns sei, die Spielpassion des Vaters oder die Schenk- und Gebepassion der Mutter. Schließlich wußten wir aber Bescheid in dieser Frage. Was der Vater that, war das reine weggeworfene Geld, was die Mutter zu viel ausgab, war immer selbstsuchtslos ausgegeben und barg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/145
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/145>, abgerufen am 06.05.2024.