Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.Knoop, Sohn des Lootsenkommandeurs, ein gewissenhafter junger Mann, gegen den nicht das Geringste zu sagen gewesen wäre, wenn er uns und unsre Eltern nicht zu sehr hätte fühlen lassen, daß er Alles nur aus Gefälligkeit thue, ja, daß er uns geradezu ein Opfer bringe. Vorwürfe waren ihm daraus freilich nicht zu machen, denn es lag wirklich so. Die Sache fing gleich damit an, daß er in seinem väterlichen Hause verblieb und unsern Eltern gegenüber darauf bestand, daß wir zu wechselnden und jedesmal von ihm zu bestimmenden Tagesstunden in seiner meist in einer Tabakswolke steckenden Hinterstube mit kleinen Zitzgardinen, erscheinen müßten. Er war nicht freundlich und nicht unfreundlich, und sah, gleichviel ob er uns Interessantes oder Nichtinteressantes mittheilte, gleichmäßig gelangweilt drein. Im Ganzen aber kam es seinerseits überhaupt nicht recht zu Mittheilungen, sondern nur zu Aufgaben, ein Verfahren, aus dem genugsam hervorging, daß er uns nicht eigentlich belehren, sondern nur beschäftigen wollte. Dazu gehörte denn vor Allem, weil ihm das das bequemste war (Exercitien und Aufsätze hätten ja korrigirt werden müssen) das Auswendiglernen von Vers und Prosa, von Bibelkapiteln und Schiller'schen Balladen. Er erschrak dabei vor keiner Länge. Ganz im Gegentheil, Knoop, Sohn des Lootsenkommandeurs, ein gewissenhafter junger Mann, gegen den nicht das Geringste zu sagen gewesen wäre, wenn er uns und unsre Eltern nicht zu sehr hätte fühlen lassen, daß er Alles nur aus Gefälligkeit thue, ja, daß er uns geradezu ein Opfer bringe. Vorwürfe waren ihm daraus freilich nicht zu machen, denn es lag wirklich so. Die Sache fing gleich damit an, daß er in seinem väterlichen Hause verblieb und unsern Eltern gegenüber darauf bestand, daß wir zu wechselnden und jedesmal von ihm zu bestimmenden Tagesstunden in seiner meist in einer Tabakswolke steckenden Hinterstube mit kleinen Zitzgardinen, erscheinen müßten. Er war nicht freundlich und nicht unfreundlich, und sah, gleichviel ob er uns Interessantes oder Nichtinteressantes mittheilte, gleichmäßig gelangweilt drein. Im Ganzen aber kam es seinerseits überhaupt nicht recht zu Mittheilungen, sondern nur zu Aufgaben, ein Verfahren, aus dem genugsam hervorging, daß er uns nicht eigentlich belehren, sondern nur beschäftigen wollte. Dazu gehörte denn vor Allem, weil ihm das das bequemste war (Exercitien und Aufsätze hätten ja korrigirt werden müssen) das Auswendiglernen von Vers und Prosa, von Bibelkapiteln und Schiller’schen Balladen. Er erschrak dabei vor keiner Länge. Ganz im Gegentheil, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0238" n="230"/> Knoop, Sohn des Lootsenkommandeurs, ein gewissenhafter junger Mann, gegen den nicht das Geringste zu sagen gewesen wäre, wenn er uns und unsre Eltern nicht zu sehr hätte fühlen lassen, daß er Alles nur aus Gefälligkeit thue, ja, daß er uns geradezu ein Opfer bringe. Vorwürfe waren ihm daraus freilich nicht zu machen, denn es lag wirklich so. Die Sache fing gleich damit an, daß er in seinem väterlichen Hause verblieb und unsern Eltern gegenüber darauf bestand, daß wir zu wechselnden und jedesmal von ihm zu bestimmenden Tagesstunden in seiner meist in einer Tabakswolke steckenden Hinterstube mit kleinen Zitzgardinen, erscheinen müßten. Er war nicht freundlich und nicht unfreundlich, und sah, gleichviel ob er uns Interessantes oder Nichtinteressantes mittheilte, gleichmäßig gelangweilt drein. Im Ganzen aber kam es seinerseits überhaupt nicht recht zu Mittheilungen, sondern nur zu Aufgaben, ein Verfahren, aus dem genugsam hervorging, daß er uns nicht eigentlich belehren, sondern nur beschäftigen wollte. Dazu gehörte denn vor Allem, weil ihm das das bequemste war (Exercitien und Aufsätze hätten ja korrigirt werden müssen) das Auswendiglernen von Vers und Prosa, von Bibelkapiteln und Schiller’schen Balladen. Er erschrak dabei vor keiner Länge. Ganz im Gegentheil, </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0238]
Knoop, Sohn des Lootsenkommandeurs, ein gewissenhafter junger Mann, gegen den nicht das Geringste zu sagen gewesen wäre, wenn er uns und unsre Eltern nicht zu sehr hätte fühlen lassen, daß er Alles nur aus Gefälligkeit thue, ja, daß er uns geradezu ein Opfer bringe. Vorwürfe waren ihm daraus freilich nicht zu machen, denn es lag wirklich so. Die Sache fing gleich damit an, daß er in seinem väterlichen Hause verblieb und unsern Eltern gegenüber darauf bestand, daß wir zu wechselnden und jedesmal von ihm zu bestimmenden Tagesstunden in seiner meist in einer Tabakswolke steckenden Hinterstube mit kleinen Zitzgardinen, erscheinen müßten. Er war nicht freundlich und nicht unfreundlich, und sah, gleichviel ob er uns Interessantes oder Nichtinteressantes mittheilte, gleichmäßig gelangweilt drein. Im Ganzen aber kam es seinerseits überhaupt nicht recht zu Mittheilungen, sondern nur zu Aufgaben, ein Verfahren, aus dem genugsam hervorging, daß er uns nicht eigentlich belehren, sondern nur beschäftigen wollte. Dazu gehörte denn vor Allem, weil ihm das das bequemste war (Exercitien und Aufsätze hätten ja korrigirt werden müssen) das Auswendiglernen von Vers und Prosa, von Bibelkapiteln und Schiller’schen Balladen. Er erschrak dabei vor keiner Länge. Ganz im Gegentheil,
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