Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.und ihn in einen dicht neben uns aufragenden Erlenbusch werfen wollte. Aber es mißglückte. Entweder ich glitt aus oder er war stärker als ich, kurzum ich kam zu Fall und lag nun zu seinen Füßen. Er nahm weiter keine Notiz davon, sah nur sehr überlegen auf mich 'runter und setzte dann seinen Eislauf ruhig fort, immer in meiner Nähe bleibend. Ich war wieder aufgesprungen und "meine heilige Schaar" rieth mir zum zweiten Mal auf den Jungen loszugehen und die Scharte auszuwetzen; ich wagte es aber nicht mehr, - in dem Riedgras, neben dem Erlenbusch, wo ich zu Fall gekommen war, lag der letzte Rest vom Stolz meiner Jugend begraben. Ich war, vielleicht in kluger Wahl meiner Gegner, bis dahin immer Sieger geblieben; hier hatte mich zum ersten Mal eine Niederlage getroffen und so getroffen, daß an eine Wiederaufnahme des Kampfes gar nicht zu denken war. Ich schnallte meine Schlittschuh ab und ging still vom Eise fort, selbst den Racheblick unterlassend, mit dem sonst wohl solche Rencontres zu enden pflegten. In schwermüthiger Verfassung kam ich zu Hause an und nahm hier den oft gehegten und immer wieder verworfenen Gedanken einer Abdikation mit neuer Lebhaftigkeit auf. Es sollte sich aber, so war mein Plan, alles geräuschlos vollziehen, ohne Gespräch und ihn in einen dicht neben uns aufragenden Erlenbusch werfen wollte. Aber es mißglückte. Entweder ich glitt aus oder er war stärker als ich, kurzum ich kam zu Fall und lag nun zu seinen Füßen. Er nahm weiter keine Notiz davon, sah nur sehr überlegen auf mich ’runter und setzte dann seinen Eislauf ruhig fort, immer in meiner Nähe bleibend. Ich war wieder aufgesprungen und „meine heilige Schaar“ rieth mir zum zweiten Mal auf den Jungen loszugehen und die Scharte auszuwetzen; ich wagte es aber nicht mehr, – in dem Riedgras, neben dem Erlenbusch, wo ich zu Fall gekommen war, lag der letzte Rest vom Stolz meiner Jugend begraben. Ich war, vielleicht in kluger Wahl meiner Gegner, bis dahin immer Sieger geblieben; hier hatte mich zum ersten Mal eine Niederlage getroffen und so getroffen, daß an eine Wiederaufnahme des Kampfes gar nicht zu denken war. Ich schnallte meine Schlittschuh ab und ging still vom Eise fort, selbst den Racheblick unterlassend, mit dem sonst wohl solche Rencontres zu enden pflegten. In schwermüthiger Verfassung kam ich zu Hause an und nahm hier den oft gehegten und immer wieder verworfenen Gedanken einer Abdikation mit neuer Lebhaftigkeit auf. Es sollte sich aber, so war mein Plan, alles geräuschlos vollziehen, ohne Gespräch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0319" n="311"/> und ihn in einen dicht neben uns aufragenden Erlenbusch werfen wollte. Aber es mißglückte. Entweder ich glitt aus oder er war stärker als ich, kurzum ich kam zu Fall und lag nun zu seinen Füßen. Er nahm weiter keine Notiz davon, sah nur sehr überlegen auf mich ’runter und setzte dann seinen Eislauf ruhig fort, immer in meiner Nähe bleibend. Ich war wieder aufgesprungen und „meine heilige Schaar“ rieth mir zum zweiten Mal auf den Jungen loszugehen und die Scharte auszuwetzen; ich wagte es aber nicht mehr, – in dem Riedgras, neben dem Erlenbusch, wo ich zu Fall gekommen war, lag der letzte Rest vom Stolz meiner Jugend begraben. Ich war, vielleicht in kluger Wahl meiner Gegner, bis dahin immer Sieger geblieben; hier hatte mich zum ersten Mal eine Niederlage getroffen und so getroffen, daß an eine Wiederaufnahme des Kampfes gar nicht zu denken war. Ich schnallte meine Schlittschuh ab und ging still vom Eise fort, selbst den Racheblick unterlassend, mit dem sonst wohl solche Rencontres zu enden pflegten.</p> <p>In schwermüthiger Verfassung kam ich zu Hause an und nahm hier den oft gehegten und immer wieder verworfenen Gedanken einer Abdikation mit neuer Lebhaftigkeit auf. Es sollte sich aber, so war mein Plan, alles geräuschlos vollziehen, ohne Gespräch </p> </div> </body> </text> </TEI> [311/0319]
und ihn in einen dicht neben uns aufragenden Erlenbusch werfen wollte. Aber es mißglückte. Entweder ich glitt aus oder er war stärker als ich, kurzum ich kam zu Fall und lag nun zu seinen Füßen. Er nahm weiter keine Notiz davon, sah nur sehr überlegen auf mich ’runter und setzte dann seinen Eislauf ruhig fort, immer in meiner Nähe bleibend. Ich war wieder aufgesprungen und „meine heilige Schaar“ rieth mir zum zweiten Mal auf den Jungen loszugehen und die Scharte auszuwetzen; ich wagte es aber nicht mehr, – in dem Riedgras, neben dem Erlenbusch, wo ich zu Fall gekommen war, lag der letzte Rest vom Stolz meiner Jugend begraben. Ich war, vielleicht in kluger Wahl meiner Gegner, bis dahin immer Sieger geblieben; hier hatte mich zum ersten Mal eine Niederlage getroffen und so getroffen, daß an eine Wiederaufnahme des Kampfes gar nicht zu denken war. Ich schnallte meine Schlittschuh ab und ging still vom Eise fort, selbst den Racheblick unterlassend, mit dem sonst wohl solche Rencontres zu enden pflegten.
In schwermüthiger Verfassung kam ich zu Hause an und nahm hier den oft gehegten und immer wieder verworfenen Gedanken einer Abdikation mit neuer Lebhaftigkeit auf. Es sollte sich aber, so war mein Plan, alles geräuschlos vollziehen, ohne Gespräch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |