Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.darüber und namentlich ohne Vernichtung irgend eines Stücks in der Waffenkammer; nur Spinnweb mochte sich darüber hinziehen. Jeder auf Wiedergewinn meiner Herrschaft abzielende Gedanke war aufgegeben, so ganz und gar, daß ich Begegnungen nach Möglichkeit vermied und mich etwas ängstlich an den Häusern entlang drückte. Schrecklicher Zustand. Ich war mit einem Male ganz klein geworden und fühlte mich geradezu unglücklich. Der mufflige Bengel stand immer vor meinen Augen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre solch elendes Leben ganz unerträglich für mich gewesen. Aber glücklicherweise, die Verhältnisse waren inzwischen andere geworden und änderten sich mit jedem Tage mehr. Abgesehen davon, daß Weihnachten vor der Thür stand und mich momentan wenigstens zerstreuen konnte, begann sich auch mehr und mehr Alles um meinen bevorstehenden Abgang zu drehn, an den ich jetzt mit Begierde dachte. Nicht daß es mir zu Hause nicht mehr gefallen hätte, fast im Gegentheil; die Eltern waren von besonderer Güte, aber das Bewußtsein, daß die Zeit hin sei, wo die "Blinden in Genua auf meinen Schritt gehört", hatte mich allmählich um die Möglichkeit jeder echten und rechten Freude gebracht und ich zählte die Stunden, die mich von der Stelle meiner, wenn darüber und namentlich ohne Vernichtung irgend eines Stücks in der Waffenkammer; nur Spinnweb mochte sich darüber hinziehen. Jeder auf Wiedergewinn meiner Herrschaft abzielende Gedanke war aufgegeben, so ganz und gar, daß ich Begegnungen nach Möglichkeit vermied und mich etwas ängstlich an den Häusern entlang drückte. Schrecklicher Zustand. Ich war mit einem Male ganz klein geworden und fühlte mich geradezu unglücklich. Der mufflige Bengel stand immer vor meinen Augen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre solch elendes Leben ganz unerträglich für mich gewesen. Aber glücklicherweise, die Verhältnisse waren inzwischen andere geworden und änderten sich mit jedem Tage mehr. Abgesehen davon, daß Weihnachten vor der Thür stand und mich momentan wenigstens zerstreuen konnte, begann sich auch mehr und mehr Alles um meinen bevorstehenden Abgang zu drehn, an den ich jetzt mit Begierde dachte. Nicht daß es mir zu Hause nicht mehr gefallen hätte, fast im Gegentheil; die Eltern waren von besonderer Güte, aber das Bewußtsein, daß die Zeit hin sei, wo die „Blinden in Genua auf meinen Schritt gehört“, hatte mich allmählich um die Möglichkeit jeder echten und rechten Freude gebracht und ich zählte die Stunden, die mich von der Stelle meiner, wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0320" n="312"/> darüber und namentlich ohne Vernichtung irgend eines Stücks in der Waffenkammer; nur Spinnweb mochte sich darüber hinziehen. Jeder auf Wiedergewinn meiner Herrschaft abzielende Gedanke war aufgegeben, so ganz und gar, daß ich Begegnungen nach Möglichkeit vermied und mich etwas ängstlich an den Häusern entlang drückte. Schrecklicher Zustand. Ich war mit einem Male ganz klein geworden und fühlte mich geradezu unglücklich. Der mufflige Bengel stand immer vor meinen Augen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre solch elendes Leben ganz unerträglich für mich gewesen. Aber glücklicherweise, die Verhältnisse waren inzwischen andere geworden und änderten sich mit jedem Tage mehr. Abgesehen davon, daß Weihnachten vor der Thür stand und mich momentan wenigstens zerstreuen konnte, begann sich auch mehr und mehr Alles um meinen bevorstehenden Abgang zu drehn, an den ich jetzt mit Begierde dachte. Nicht daß es mir zu Hause nicht mehr gefallen hätte, fast im Gegentheil; die Eltern waren von besonderer Güte, aber das Bewußtsein, daß die Zeit hin sei, wo die „Blinden in Genua auf meinen Schritt gehört“, hatte mich allmählich um die Möglichkeit jeder echten und rechten Freude gebracht und ich zählte die Stunden, die mich von der Stelle meiner, wenn </p> </div> </body> </text> </TEI> [312/0320]
darüber und namentlich ohne Vernichtung irgend eines Stücks in der Waffenkammer; nur Spinnweb mochte sich darüber hinziehen. Jeder auf Wiedergewinn meiner Herrschaft abzielende Gedanke war aufgegeben, so ganz und gar, daß ich Begegnungen nach Möglichkeit vermied und mich etwas ängstlich an den Häusern entlang drückte. Schrecklicher Zustand. Ich war mit einem Male ganz klein geworden und fühlte mich geradezu unglücklich. Der mufflige Bengel stand immer vor meinen Augen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre solch elendes Leben ganz unerträglich für mich gewesen. Aber glücklicherweise, die Verhältnisse waren inzwischen andere geworden und änderten sich mit jedem Tage mehr. Abgesehen davon, daß Weihnachten vor der Thür stand und mich momentan wenigstens zerstreuen konnte, begann sich auch mehr und mehr Alles um meinen bevorstehenden Abgang zu drehn, an den ich jetzt mit Begierde dachte. Nicht daß es mir zu Hause nicht mehr gefallen hätte, fast im Gegentheil; die Eltern waren von besonderer Güte, aber das Bewußtsein, daß die Zeit hin sei, wo die „Blinden in Genua auf meinen Schritt gehört“, hatte mich allmählich um die Möglichkeit jeder echten und rechten Freude gebracht und ich zählte die Stunden, die mich von der Stelle meiner, wenn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |