Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.noch geringeren Eindruck machten die Wochen auf mich, die von Neujahr an folgten. Ich erinnere mich erst wieder der Tage kurz vor meiner Abreise, wo meine Habseligkeiten gepackt und überhaupt alle Vorbereitungen für meinen Abgang zur Schule getroffen wurden. Es hätte dies trotz meiner durchaus auf ein "Hinaus" gerichteten Sehnsucht, eine herzbewegliche Zeit sein können, aber sie war so ziemlich das Gegentheil davon, und wie mir das ganze zurückliegende Jahr, mit wenigen Ausnahmetagen, immer nur Fatalitäten, Kränkungen und Niederlagen gebracht hatte, so schloß es auch mit lauter Disharmonien und Aergernissen ab. Ich war freilich an Allem persönlich schuld, aber etwas von Schicksals Tücke spielte doch auch mit hinein. "Du wirst nun also Abschiedsbesuche bei dem und dem machen," sagte mein Vater und übergab mir einen Zettel, darauf die betreffenden Namen standen; der letzte Name war der eines Fräuleins von Hochwächter, welche Dame mit ihrer alten Mutter im Steuerrath Königk'schen Hause wohnte. Das Fräulein war eine sehr schöne Dame, Ende dreißig, ganz Brunhilde mit Rembrandthut und Straußenfeder und selbstverständlich auch vorzügliche Reiterin. Ich hatte sie ein paar Mal gesehen, aber noch geringeren Eindruck machten die Wochen auf mich, die von Neujahr an folgten. Ich erinnere mich erst wieder der Tage kurz vor meiner Abreise, wo meine Habseligkeiten gepackt und überhaupt alle Vorbereitungen für meinen Abgang zur Schule getroffen wurden. Es hätte dies trotz meiner durchaus auf ein „Hinaus“ gerichteten Sehnsucht, eine herzbewegliche Zeit sein können, aber sie war so ziemlich das Gegentheil davon, und wie mir das ganze zurückliegende Jahr, mit wenigen Ausnahmetagen, immer nur Fatalitäten, Kränkungen und Niederlagen gebracht hatte, so schloß es auch mit lauter Disharmonien und Aergernissen ab. Ich war freilich an Allem persönlich schuld, aber etwas von Schicksals Tücke spielte doch auch mit hinein. „Du wirst nun also Abschiedsbesuche bei dem und dem machen,“ sagte mein Vater und übergab mir einen Zettel, darauf die betreffenden Namen standen; der letzte Name war der eines Fräuleins von Hochwächter, welche Dame mit ihrer alten Mutter im Steuerrath Königk’schen Hause wohnte. Das Fräulein war eine sehr schöne Dame, Ende dreißig, ganz Brunhilde mit Rembrandthut und Straußenfeder und selbstverständlich auch vorzügliche Reiterin. Ich hatte sie ein paar Mal gesehen, aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0322" n="314"/> noch geringeren Eindruck machten die Wochen auf mich, die von Neujahr an folgten. Ich erinnere mich erst wieder der Tage kurz vor meiner Abreise, wo meine Habseligkeiten gepackt und überhaupt alle Vorbereitungen für meinen Abgang zur Schule getroffen wurden.</p> <p>Es hätte dies trotz meiner durchaus auf ein „Hinaus“ gerichteten Sehnsucht, eine herzbewegliche Zeit sein können, aber sie war so ziemlich das Gegentheil davon, und wie mir das ganze zurückliegende Jahr, mit wenigen Ausnahmetagen, immer nur Fatalitäten, Kränkungen und Niederlagen gebracht hatte, so schloß es auch mit lauter Disharmonien und Aergernissen ab. Ich war freilich an Allem persönlich schuld, aber etwas von Schicksals Tücke spielte doch auch mit hinein.</p> <p>„Du wirst nun also Abschiedsbesuche bei dem und dem machen,“ sagte mein Vater und übergab mir einen Zettel, darauf die betreffenden Namen standen; der letzte Name war der eines Fräuleins von Hochwächter, welche Dame mit ihrer alten Mutter im Steuerrath Königk’schen Hause wohnte. Das Fräulein war eine sehr schöne Dame, Ende dreißig, ganz Brunhilde mit Rembrandthut und Straußenfeder und selbstverständlich auch vorzügliche Reiterin. Ich hatte sie ein paar Mal gesehen, aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [314/0322]
noch geringeren Eindruck machten die Wochen auf mich, die von Neujahr an folgten. Ich erinnere mich erst wieder der Tage kurz vor meiner Abreise, wo meine Habseligkeiten gepackt und überhaupt alle Vorbereitungen für meinen Abgang zur Schule getroffen wurden.
Es hätte dies trotz meiner durchaus auf ein „Hinaus“ gerichteten Sehnsucht, eine herzbewegliche Zeit sein können, aber sie war so ziemlich das Gegentheil davon, und wie mir das ganze zurückliegende Jahr, mit wenigen Ausnahmetagen, immer nur Fatalitäten, Kränkungen und Niederlagen gebracht hatte, so schloß es auch mit lauter Disharmonien und Aergernissen ab. Ich war freilich an Allem persönlich schuld, aber etwas von Schicksals Tücke spielte doch auch mit hinein.
„Du wirst nun also Abschiedsbesuche bei dem und dem machen,“ sagte mein Vater und übergab mir einen Zettel, darauf die betreffenden Namen standen; der letzte Name war der eines Fräuleins von Hochwächter, welche Dame mit ihrer alten Mutter im Steuerrath Königk’schen Hause wohnte. Das Fräulein war eine sehr schöne Dame, Ende dreißig, ganz Brunhilde mit Rembrandthut und Straußenfeder und selbstverständlich auch vorzügliche Reiterin. Ich hatte sie ein paar Mal gesehen, aber
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