Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.fein geschulte Leute, ließen nicht allzuviel davon merken, daß ihnen der ganze Besuch, mit seinen voraussichtlich geschäftlichen Auseinandersetzungen, eigentlich eine Störung war. Aber, freilich, von Zärtlichkeit gegen mich war den ganzen Tag über keine Rede, so daß ich herzlich froh war, als es am Abend wieder nach Hause ging. Erst viel später ist mir klar geworden, daß die Nüchternheit, der ich begegnete, nicht mir armen Kinde, sondern, wie schon angedeutet, meinem Vater galt. Ich mußte nur mit leiden. Der äußersten Solidität des Großvaters war der sichere, lebemännische Ton seines Sohnes, der sich, durch seinen glücklichen Verkaufscoup, mit einem Male selbstständig und als Mann von Vermögen fühlte, derart unbequem und bedrücklich, daß meine blonden Locken, auf deren Eindruck meine Mutter so sicher gerechnet hatte, ganz und gar versagten. Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzuthun. Wär' es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch fein geschulte Leute, ließen nicht allzuviel davon merken, daß ihnen der ganze Besuch, mit seinen voraussichtlich geschäftlichen Auseinandersetzungen, eigentlich eine Störung war. Aber, freilich, von Zärtlichkeit gegen mich war den ganzen Tag über keine Rede, so daß ich herzlich froh war, als es am Abend wieder nach Hause ging. Erst viel später ist mir klar geworden, daß die Nüchternheit, der ich begegnete, nicht mir armen Kinde, sondern, wie schon angedeutet, meinem Vater galt. Ich mußte nur mit leiden. Der äußersten Solidität des Großvaters war der sichere, lebemännische Ton seines Sohnes, der sich, durch seinen glücklichen Verkaufscoup, mit einem Male selbstständig und als Mann von Vermögen fühlte, derart unbequem und bedrücklich, daß meine blonden Locken, auf deren Eindruck meine Mutter so sicher gerechnet hatte, ganz und gar versagten. Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzuthun. Wär’ es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="35"/> fein geschulte Leute, ließen nicht allzuviel davon merken, daß ihnen der ganze Besuch, mit seinen voraussichtlich geschäftlichen Auseinandersetzungen, eigentlich eine Störung war. Aber, freilich, von Zärtlichkeit gegen mich war den ganzen Tag über keine Rede, so daß ich herzlich froh war, als es am Abend wieder nach Hause ging. Erst viel später ist mir klar geworden, daß die Nüchternheit, der ich begegnete, nicht mir armen Kinde, sondern, wie schon angedeutet, meinem Vater galt. Ich mußte nur mit leiden. Der äußersten Solidität des Großvaters war der sichere, lebemännische Ton seines Sohnes, der sich, durch seinen glücklichen Verkaufscoup, mit einem Male selbstständig und als Mann von Vermögen fühlte, derart unbequem und bedrücklich, daß meine blonden Locken, auf deren Eindruck meine Mutter so sicher gerechnet hatte, ganz und gar versagten.</p> <p>Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzuthun. Wär’ es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0043]
fein geschulte Leute, ließen nicht allzuviel davon merken, daß ihnen der ganze Besuch, mit seinen voraussichtlich geschäftlichen Auseinandersetzungen, eigentlich eine Störung war. Aber, freilich, von Zärtlichkeit gegen mich war den ganzen Tag über keine Rede, so daß ich herzlich froh war, als es am Abend wieder nach Hause ging. Erst viel später ist mir klar geworden, daß die Nüchternheit, der ich begegnete, nicht mir armen Kinde, sondern, wie schon angedeutet, meinem Vater galt. Ich mußte nur mit leiden. Der äußersten Solidität des Großvaters war der sichere, lebemännische Ton seines Sohnes, der sich, durch seinen glücklichen Verkaufscoup, mit einem Male selbstständig und als Mann von Vermögen fühlte, derart unbequem und bedrücklich, daß meine blonden Locken, auf deren Eindruck meine Mutter so sicher gerechnet hatte, ganz und gar versagten.
Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzuthun. Wär’ es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |