Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen und sein Lebelang in der Welt umherzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. Er sah aber freilich ein, daß das unmöglich sei - wenige Reisejahre würden sein Vermögen aufgezehrt haben - und so war er denn nur beflissen, sich, weil's ihm so paßte, vor Ankaufs-Uebereilungen zu bewahren. Je kritischer er verfuhr, je länger konnte er seine Fahrten fortsetzen und seinem geliebten Schimmel, einem übrigens reizenden Thiere, jeden Abend ein neues Quartier bereiten. Ich sage seinem Schimmel, denn ein gutes Quartier für diesen lag ihm mehr am Herzen, als sein eignes. Dreiviertel Jahre, bis Weihnachten 26, ist er denn auch vielfach, um nicht zu sagen meistens, unterwegs gewesen und zwar auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete, das, außer der Provinz Brandenburg, auch noch Sachsen, Thüringen und zuletzt Pommern umschloß. Diese Reisezeit war später ein bevorzugter Unterhaltungsstoff beider Eltern, auch meiner Mutter, die sich sonst ziemlich ablehnend gegen die Lieblingsthemata meines Vaters verhielt. Daß sie hier einen Ausnahmefall eintreten ließ, hatte zum Theil seinen Grund darin, daß

den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen und sein Lebelang in der Welt umherzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. Er sah aber freilich ein, daß das unmöglich sei – wenige Reisejahre würden sein Vermögen aufgezehrt haben – und so war er denn nur beflissen, sich, weil’s ihm so paßte, vor Ankaufs-Uebereilungen zu bewahren. Je kritischer er verfuhr, je länger konnte er seine Fahrten fortsetzen und seinem geliebten Schimmel, einem übrigens reizenden Thiere, jeden Abend ein neues Quartier bereiten. Ich sage seinem Schimmel, denn ein gutes Quartier für diesen lag ihm mehr am Herzen, als sein eignes. Dreiviertel Jahre, bis Weihnachten 26, ist er denn auch vielfach, um nicht zu sagen meistens, unterwegs gewesen und zwar auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete, das, außer der Provinz Brandenburg, auch noch Sachsen, Thüringen und zuletzt Pommern umschloß. Diese Reisezeit war später ein bevorzugter Unterhaltungsstoff beider Eltern, auch meiner Mutter, die sich sonst ziemlich ablehnend gegen die Lieblingsthemata meines Vaters verhielt. Daß sie hier einen Ausnahmefall eintreten ließ, hatte zum Theil seinen Grund darin, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="36"/>
den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen und sein Lebelang in der Welt umherzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. Er sah aber freilich ein, daß das unmöglich sei &#x2013; wenige Reisejahre würden sein Vermögen aufgezehrt haben &#x2013; und so war er denn nur beflissen, sich, weil&#x2019;s ihm so paßte, vor Ankaufs-Uebereilungen zu bewahren. Je kritischer er verfuhr, je länger konnte er seine Fahrten fortsetzen und seinem geliebten Schimmel, einem übrigens reizenden Thiere, jeden Abend ein neues Quartier bereiten. Ich sage seinem Schimmel, denn ein gutes Quartier für diesen lag ihm mehr am Herzen, als sein eignes. Dreiviertel Jahre, bis Weihnachten 26, ist er denn auch vielfach, um nicht zu sagen meistens, unterwegs gewesen und zwar auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete, das, außer der Provinz Brandenburg, auch noch Sachsen, Thüringen und zuletzt Pommern umschloß. Diese Reisezeit war später ein bevorzugter Unterhaltungsstoff beider Eltern, auch meiner Mutter, die sich sonst ziemlich ablehnend gegen die Lieblingsthemata meines Vaters verhielt. Daß sie hier einen Ausnahmefall eintreten ließ, hatte zum Theil seinen Grund darin, daß
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0044] den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen und sein Lebelang in der Welt umherzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. Er sah aber freilich ein, daß das unmöglich sei – wenige Reisejahre würden sein Vermögen aufgezehrt haben – und so war er denn nur beflissen, sich, weil’s ihm so paßte, vor Ankaufs-Uebereilungen zu bewahren. Je kritischer er verfuhr, je länger konnte er seine Fahrten fortsetzen und seinem geliebten Schimmel, einem übrigens reizenden Thiere, jeden Abend ein neues Quartier bereiten. Ich sage seinem Schimmel, denn ein gutes Quartier für diesen lag ihm mehr am Herzen, als sein eignes. Dreiviertel Jahre, bis Weihnachten 26, ist er denn auch vielfach, um nicht zu sagen meistens, unterwegs gewesen und zwar auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete, das, außer der Provinz Brandenburg, auch noch Sachsen, Thüringen und zuletzt Pommern umschloß. Diese Reisezeit war später ein bevorzugter Unterhaltungsstoff beider Eltern, auch meiner Mutter, die sich sonst ziemlich ablehnend gegen die Lieblingsthemata meines Vaters verhielt. Daß sie hier einen Ausnahmefall eintreten ließ, hatte zum Theil seinen Grund darin, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/44
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/44>, abgerufen am 23.11.2024.