Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.suchen Sie sich unangenehmen Eindrücken nach Möglichkeit zu entziehn." Und gerade so wie jetzt, dieser ärztliche Rath half auch, so lange es möglich war, ihm nachzukommen. In Berlin, unter den dort lebenden Freundinnen aus der Lionnet'schen Pension, hatte sich das thun lassen; als meine Mutter aber, etliche Wochen später, in Swinemünde eintraf und vieles anders fand, als sie wünschte, war es mit "Vermeidung unangenehmer Eindrücke" vorbei und die Nervenzustände stellten sich wieder ein. Unsere Reise hatte mittlerweile begonnen und ging, auf drei Tage berechnet, auf nächstem Wege durch Uckermark, Mecklenburg-Strelitz und Schwedisch-Pommern. Wir waren, groß und klein, sechs Personen: mein Vater, vier Kinder und die Amme des jüngsten Kindes, eine zigeunerhafte, häßliche Wendin, von, wie sich später herausstellte, schlechtem Charakter, die sich durch nichts, als durch eminente spezielle Berufserfüllung meinem erst halbjährigen jüngsten Bruder gegenüber auszeichnete. Den ersten Tag kamen wir bis Neu-Strelitz, wo sich uns ein für die Apotheke brieflich engagirter Gehülfe zugesellte, Herr Wolff, ein sehr hübscher, krausköpfiger Mann, und trotzdem er Mecklenburger war, von durchaus brünettem Typus. Er empfahl sich unserm Hause, suchen Sie sich unangenehmen Eindrücken nach Möglichkeit zu entziehn.“ Und gerade so wie jetzt, dieser ärztliche Rath half auch, so lange es möglich war, ihm nachzukommen. In Berlin, unter den dort lebenden Freundinnen aus der Lionnet’schen Pension, hatte sich das thun lassen; als meine Mutter aber, etliche Wochen später, in Swinemünde eintraf und vieles anders fand, als sie wünschte, war es mit „Vermeidung unangenehmer Eindrücke“ vorbei und die Nervenzustände stellten sich wieder ein. Unsere Reise hatte mittlerweile begonnen und ging, auf drei Tage berechnet, auf nächstem Wege durch Uckermark, Mecklenburg-Strelitz und Schwedisch-Pommern. Wir waren, groß und klein, sechs Personen: mein Vater, vier Kinder und die Amme des jüngsten Kindes, eine zigeunerhafte, häßliche Wendin, von, wie sich später herausstellte, schlechtem Charakter, die sich durch nichts, als durch eminente spezielle Berufserfüllung meinem erst halbjährigen jüngsten Bruder gegenüber auszeichnete. Den ersten Tag kamen wir bis Neu-Strelitz, wo sich uns ein für die Apotheke brieflich engagirter Gehülfe zugesellte, Herr Wolff, ein sehr hübscher, krausköpfiger Mann, und trotzdem er Mecklenburger war, von durchaus brünettem Typus. Er empfahl sich unserm Hause, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="40"/> suchen Sie sich unangenehmen Eindrücken nach Möglichkeit zu entziehn.“ Und gerade so wie jetzt, dieser ärztliche Rath half auch, so lange es möglich war, ihm nachzukommen. In Berlin, unter den dort lebenden Freundinnen aus der Lionnet’schen Pension, hatte sich das thun lassen; als meine Mutter aber, etliche Wochen später, in Swinemünde eintraf und vieles anders fand, als sie wünschte, war es mit „Vermeidung unangenehmer Eindrücke“ vorbei und die Nervenzustände stellten sich wieder ein.</p> <p>Unsere Reise hatte mittlerweile begonnen und ging, auf drei Tage berechnet, auf nächstem Wege durch Uckermark, Mecklenburg-Strelitz und Schwedisch-Pommern. Wir waren, groß und klein, sechs Personen: mein Vater, vier Kinder und die Amme des jüngsten Kindes, eine zigeunerhafte, häßliche Wendin, von, wie sich später herausstellte, schlechtem Charakter, die sich durch nichts, als durch eminente spezielle Berufserfüllung meinem erst halbjährigen jüngsten Bruder gegenüber auszeichnete. Den ersten Tag kamen wir bis Neu-Strelitz, wo sich uns ein für die Apotheke brieflich engagirter Gehülfe zugesellte, Herr Wolff, ein sehr hübscher, krausköpfiger Mann, und trotzdem er Mecklenburger war, von durchaus brünettem Typus. Er empfahl sich unserm Hause, </p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0048]
suchen Sie sich unangenehmen Eindrücken nach Möglichkeit zu entziehn.“ Und gerade so wie jetzt, dieser ärztliche Rath half auch, so lange es möglich war, ihm nachzukommen. In Berlin, unter den dort lebenden Freundinnen aus der Lionnet’schen Pension, hatte sich das thun lassen; als meine Mutter aber, etliche Wochen später, in Swinemünde eintraf und vieles anders fand, als sie wünschte, war es mit „Vermeidung unangenehmer Eindrücke“ vorbei und die Nervenzustände stellten sich wieder ein.
Unsere Reise hatte mittlerweile begonnen und ging, auf drei Tage berechnet, auf nächstem Wege durch Uckermark, Mecklenburg-Strelitz und Schwedisch-Pommern. Wir waren, groß und klein, sechs Personen: mein Vater, vier Kinder und die Amme des jüngsten Kindes, eine zigeunerhafte, häßliche Wendin, von, wie sich später herausstellte, schlechtem Charakter, die sich durch nichts, als durch eminente spezielle Berufserfüllung meinem erst halbjährigen jüngsten Bruder gegenüber auszeichnete. Den ersten Tag kamen wir bis Neu-Strelitz, wo sich uns ein für die Apotheke brieflich engagirter Gehülfe zugesellte, Herr Wolff, ein sehr hübscher, krausköpfiger Mann, und trotzdem er Mecklenburger war, von durchaus brünettem Typus. Er empfahl sich unserm Hause,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |