Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.sein. Es kommt auf das innerliche Leben an, nicht auf das äußerliche: die Aepfel mit der schönen Schale sind meist wurmstichig." "Und die grauen Reinetten überdauern den ganzen Winter." Therese zuckte die Achseln und brach ab, nahm auch nicht Veranlassung darauf zurückzukommen und zwar um so weniger, als sich das, was ihr die Mama in dieser Streitsache begütigend gesagt hatte, sehr bald erfüllen sollte. "Laß doch die beiden," so etwa waren die Worte der Majorin bei jener Gelegenheit gewesen, "du solltest doch Leo kennen und wissen, wie wenig das alles auf sich hat. Heute will er das und morgen das. Ehe drei Wochen um sind, hört die Schreiberei zwischen ihnen von selbst auf." Und so kam es auch. Leo schloß sich, noch ehe der Januar zu Ende ging, einem katholischen Geistlichen an, der Dogmenstrenge mit Skat und Fidelität glücklich zu vereinigen wußte, welche neue Bekanntschaft denn auch sofort verhängnisvoll für die weitere Erörterung der Esther- und Flora-Frage wurde. Sie starb sehr bald ab. Ja, die Korrespondenz nach Thorn hin erlosch rasch, aber die zwischen Sophie und Manon setzte sich fort und keine Woche verging, ohne daß ein Brief aus Adamsdorf eingetroffen wäre, meistens sein. Es kommt auf das innerliche Leben an, nicht auf das äußerliche: die Aepfel mit der schönen Schale sind meist wurmstichig.“ „Und die grauen Reinetten überdauern den ganzen Winter.“ Therese zuckte die Achseln und brach ab, nahm auch nicht Veranlassung darauf zurückzukommen und zwar um so weniger, als sich das, was ihr die Mama in dieser Streitsache begütigend gesagt hatte, sehr bald erfüllen sollte. „Laß doch die beiden,“ so etwa waren die Worte der Majorin bei jener Gelegenheit gewesen, „du solltest doch Leo kennen und wissen, wie wenig das alles auf sich hat. Heute will er das und morgen das. Ehe drei Wochen um sind, hört die Schreiberei zwischen ihnen von selbst auf.“ Und so kam es auch. Leo schloß sich, noch ehe der Januar zu Ende ging, einem katholischen Geistlichen an, der Dogmenstrenge mit Skat und Fidelität glücklich zu vereinigen wußte, welche neue Bekanntschaft denn auch sofort verhängnisvoll für die weitere Erörterung der Esther- und Flora-Frage wurde. Sie starb sehr bald ab. Ja, die Korrespondenz nach Thorn hin erlosch rasch, aber die zwischen Sophie und Manon setzte sich fort und keine Woche verging, ohne daß ein Brief aus Adamsdorf eingetroffen wäre, meistens <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0138" n="131"/> sein. Es kommt auf das innerliche Leben an, nicht auf das äußerliche: die Aepfel mit der schönen Schale sind meist wurmstichig.“</p><lb/> <p>„Und die grauen Reinetten überdauern den ganzen Winter.“</p><lb/> <p>Therese zuckte die Achseln und brach ab, nahm auch nicht Veranlassung darauf zurückzukommen und zwar um so weniger, als sich das, was ihr die Mama in dieser Streitsache begütigend gesagt hatte, sehr bald erfüllen sollte. „Laß doch die beiden,“ so etwa waren die Worte der Majorin bei jener Gelegenheit gewesen, „du solltest doch Leo kennen und wissen, wie wenig das alles auf sich hat. Heute will er das und morgen das. Ehe drei Wochen um sind, hört die Schreiberei zwischen ihnen von selbst auf.“ Und so kam es auch. Leo schloß sich, noch ehe der Januar zu Ende ging, einem katholischen Geistlichen an, der Dogmenstrenge mit Skat und Fidelität glücklich zu vereinigen wußte, welche neue Bekanntschaft denn auch sofort verhängnisvoll für die weitere Erörterung der Esther- und Flora-Frage wurde. Sie starb sehr bald ab.</p><lb/> <p>Ja, die Korrespondenz nach Thorn hin erlosch rasch, aber die zwischen Sophie und Manon setzte sich fort und keine Woche verging, ohne daß ein Brief aus Adamsdorf eingetroffen wäre, meistens<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [131/0138]
sein. Es kommt auf das innerliche Leben an, nicht auf das äußerliche: die Aepfel mit der schönen Schale sind meist wurmstichig.“
„Und die grauen Reinetten überdauern den ganzen Winter.“
Therese zuckte die Achseln und brach ab, nahm auch nicht Veranlassung darauf zurückzukommen und zwar um so weniger, als sich das, was ihr die Mama in dieser Streitsache begütigend gesagt hatte, sehr bald erfüllen sollte. „Laß doch die beiden,“ so etwa waren die Worte der Majorin bei jener Gelegenheit gewesen, „du solltest doch Leo kennen und wissen, wie wenig das alles auf sich hat. Heute will er das und morgen das. Ehe drei Wochen um sind, hört die Schreiberei zwischen ihnen von selbst auf.“ Und so kam es auch. Leo schloß sich, noch ehe der Januar zu Ende ging, einem katholischen Geistlichen an, der Dogmenstrenge mit Skat und Fidelität glücklich zu vereinigen wußte, welche neue Bekanntschaft denn auch sofort verhängnisvoll für die weitere Erörterung der Esther- und Flora-Frage wurde. Sie starb sehr bald ab.
Ja, die Korrespondenz nach Thorn hin erlosch rasch, aber die zwischen Sophie und Manon setzte sich fort und keine Woche verging, ohne daß ein Brief aus Adamsdorf eingetroffen wäre, meistens
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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