Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Soiree nicht beiwohnen zu können, während sich Therese nur von einer Vorstellung beherrscht fühlte: von dem Gedanken an das ihr lediglich als eine Haupt- und Staatsaktion erscheinende Begräbnis. Sie sah sich nicht nur bereits in der vordersten Reihe der Leidtragenden, sondern lebte auch ganz dem Hochgefühle, daß die Repräsentation der Poggenpuhlschen Familie - die beiden alten Damen, als nur angeheiratete, zählten kaum mit - einzig und allein auf ihr beruhe. Dies Hochgefühl sah sich allerdings durch den dem Briefe beigelegten Tausendmarkschein auf Augenblicke beeinträchtigt, aber die Vorzüge lagen andrerseits auch wieder so klar zu Tage, daß das Bedrückliche schnell hinschwand, besonders nachdem man sich untereinander dahin geeinigt hatte, daß Therese in die Stadt fahren und dort die Trauergarderobe besorgen solle. Nächst dem Begräbnis selbst, erschien allen dieser Besuch in einem Trauermagazin als der bedeutungsvollste Moment, und die Miene, mit der sich die ältere Schwester zu dieser Fahrt anschickte, hatte etwas so ausgesprochen Distinguiertes, daß selbst Manon davon berührt und zu einer Art Huldigung hingerissen wurde. Dieses Gefühl machte freilich rasch einer entgegengesetzten Empfindung Platz, als Therese von ihrer Fahrt zurückkehrte. Die Kleider, so berichtete sie, würden bis Soiree nicht beiwohnen zu können, während sich Therese nur von einer Vorstellung beherrscht fühlte: von dem Gedanken an das ihr lediglich als eine Haupt- und Staatsaktion erscheinende Begräbnis. Sie sah sich nicht nur bereits in der vordersten Reihe der Leidtragenden, sondern lebte auch ganz dem Hochgefühle, daß die Repräsentation der Poggenpuhlschen Familie – die beiden alten Damen, als nur angeheiratete, zählten kaum mit – einzig und allein auf ihr beruhe. Dies Hochgefühl sah sich allerdings durch den dem Briefe beigelegten Tausendmarkschein auf Augenblicke beeinträchtigt, aber die Vorzüge lagen andrerseits auch wieder so klar zu Tage, daß das Bedrückliche schnell hinschwand, besonders nachdem man sich untereinander dahin geeinigt hatte, daß Therese in die Stadt fahren und dort die Trauergarderobe besorgen solle. Nächst dem Begräbnis selbst, erschien allen dieser Besuch in einem Trauermagazin als der bedeutungsvollste Moment, und die Miene, mit der sich die ältere Schwester zu dieser Fahrt anschickte, hatte etwas so ausgesprochen Distinguiertes, daß selbst Manon davon berührt und zu einer Art Huldigung hingerissen wurde. Dieses Gefühl machte freilich rasch einer entgegengesetzten Empfindung Platz, als Therese von ihrer Fahrt zurückkehrte. Die Kleider, so berichtete sie, würden bis <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0154" n="147"/> Soiree nicht beiwohnen zu können, während sich Therese nur von einer Vorstellung beherrscht fühlte: von dem Gedanken an das ihr lediglich als eine Haupt- und Staatsaktion erscheinende Begräbnis. Sie sah sich nicht nur bereits in der vordersten Reihe der Leidtragenden, sondern lebte auch ganz dem Hochgefühle, daß die Repräsentation der Poggenpuhlschen Familie – die beiden alten Damen, als nur angeheiratete, zählten kaum mit – einzig und allein auf ihr beruhe. Dies Hochgefühl sah sich allerdings durch den dem Briefe beigelegten Tausendmarkschein auf Augenblicke beeinträchtigt, aber die Vorzüge lagen andrerseits auch wieder so klar zu Tage, daß das Bedrückliche schnell hinschwand, besonders nachdem man sich untereinander dahin geeinigt hatte, daß Therese in die Stadt fahren und dort die Trauergarderobe besorgen solle. Nächst dem Begräbnis selbst, erschien allen dieser Besuch in einem Trauermagazin als der bedeutungsvollste Moment, und die Miene, mit der sich die ältere Schwester zu dieser Fahrt anschickte, hatte etwas so ausgesprochen Distinguiertes, daß selbst Manon davon berührt und zu einer Art Huldigung hingerissen wurde.</p><lb/> <p>Dieses Gefühl machte freilich rasch einer entgegengesetzten Empfindung Platz, als Therese von ihrer Fahrt zurückkehrte. Die Kleider, so berichtete sie, würden bis<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [147/0154]
Soiree nicht beiwohnen zu können, während sich Therese nur von einer Vorstellung beherrscht fühlte: von dem Gedanken an das ihr lediglich als eine Haupt- und Staatsaktion erscheinende Begräbnis. Sie sah sich nicht nur bereits in der vordersten Reihe der Leidtragenden, sondern lebte auch ganz dem Hochgefühle, daß die Repräsentation der Poggenpuhlschen Familie – die beiden alten Damen, als nur angeheiratete, zählten kaum mit – einzig und allein auf ihr beruhe. Dies Hochgefühl sah sich allerdings durch den dem Briefe beigelegten Tausendmarkschein auf Augenblicke beeinträchtigt, aber die Vorzüge lagen andrerseits auch wieder so klar zu Tage, daß das Bedrückliche schnell hinschwand, besonders nachdem man sich untereinander dahin geeinigt hatte, daß Therese in die Stadt fahren und dort die Trauergarderobe besorgen solle. Nächst dem Begräbnis selbst, erschien allen dieser Besuch in einem Trauermagazin als der bedeutungsvollste Moment, und die Miene, mit der sich die ältere Schwester zu dieser Fahrt anschickte, hatte etwas so ausgesprochen Distinguiertes, daß selbst Manon davon berührt und zu einer Art Huldigung hingerissen wurde.
Dieses Gefühl machte freilich rasch einer entgegengesetzten Empfindung Platz, als Therese von ihrer Fahrt zurückkehrte. Die Kleider, so berichtete sie, würden bis
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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