Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Man erhitzte sich immer mehr; zuletzt sollte die Mama entscheiden. Diese lehnte das aber ab. "Jch bin nicht bewandert genug in derlei Fragen und weiß nicht, ob es paßt oder ob es zu viel ist. Jch denke mir, wir nehmen die Kartons mit und richten uns nach dem Ausspruch der Tante." Dies fand Zustimmung, und als am andern Morgen die gleich "wie angegossen" sitzenden Kleider erschienen, wurde vor dem langen schmalen Spiegel, in dem man sich gemustert und gegenseitig befriedigend gefunden hatte, der schwesterliche Friede neu besiegelt. "Er war doch ein herrlicher Mann," sagte Manon. "Das war er und sein Andenken sei gesegnet. Aus meinem Herzen kann sein Bild nie wieder schwinden." Um zehn Uhr ging der Nachtzug, vom Friedrichsstraßenbahnhof aus, ab. Schon vor neun stand man in voller Reisetoilette da, bei der Manon, die sehr gut aussah, auf einen zufällig vorhandenen Krimstecher nur ungern verzichtet hatte. Sie sagte sich aber, daß es "stillos" sein würde (stillos war eine Lieblingswendung Floras), und als sie dies erlösende Wort gefunden hatte, wurde ihr der Verzicht auch leichter. Friederike befand sich mit im Vorzimmer, um zu Man erhitzte sich immer mehr; zuletzt sollte die Mama entscheiden. Diese lehnte das aber ab. „Jch bin nicht bewandert genug in derlei Fragen und weiß nicht, ob es paßt oder ob es zu viel ist. Jch denke mir, wir nehmen die Kartons mit und richten uns nach dem Ausspruch der Tante.“ Dies fand Zustimmung, und als am andern Morgen die gleich „wie angegossen“ sitzenden Kleider erschienen, wurde vor dem langen schmalen Spiegel, in dem man sich gemustert und gegenseitig befriedigend gefunden hatte, der schwesterliche Friede neu besiegelt. „Er war doch ein herrlicher Mann,“ sagte Manon. „Das war er und sein Andenken sei gesegnet. Aus meinem Herzen kann sein Bild nie wieder schwinden.“ Um zehn Uhr ging der Nachtzug, vom Friedrichsstraßenbahnhof aus, ab. Schon vor neun stand man in voller Reisetoilette da, bei der Manon, die sehr gut aussah, auf einen zufällig vorhandenen Krimstecher nur ungern verzichtet hatte. Sie sagte sich aber, daß es „stillos“ sein würde (stillos war eine Lieblingswendung Floras), und als sie dies erlösende Wort gefunden hatte, wurde ihr der Verzicht auch leichter. Friederike befand sich mit im Vorzimmer, um zu <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0156" n="149"/> <p>Man erhitzte sich immer mehr; zuletzt sollte die Mama entscheiden. Diese lehnte das aber ab. „Jch bin nicht bewandert genug in derlei Fragen und weiß nicht, ob es paßt oder ob es zu viel ist. Jch denke mir, wir nehmen die Kartons mit und richten uns nach dem Ausspruch der Tante.“</p><lb/> <p>Dies fand Zustimmung, und als am andern Morgen die gleich „wie angegossen“ sitzenden Kleider erschienen, wurde vor dem langen schmalen Spiegel, in dem man sich gemustert und gegenseitig befriedigend gefunden hatte, der schwesterliche Friede neu besiegelt.</p><lb/> <p>„Er war doch ein herrlicher Mann,“ sagte Manon.</p><lb/> <p>„Das war er und sein Andenken sei gesegnet. Aus meinem Herzen kann sein Bild nie wieder schwinden.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Um zehn Uhr ging der Nachtzug, vom Friedrichsstraßenbahnhof aus, ab. Schon vor neun stand man in voller Reisetoilette da, bei der Manon, die sehr gut aussah, auf einen zufällig vorhandenen Krimstecher nur ungern verzichtet hatte. Sie sagte sich aber, daß es „stillos“ sein würde (stillos war eine Lieblingswendung Floras), und als sie dies erlösende Wort gefunden hatte, wurde ihr der Verzicht auch leichter. Friederike befand sich mit im Vorzimmer, um zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [149/0156]
Man erhitzte sich immer mehr; zuletzt sollte die Mama entscheiden. Diese lehnte das aber ab. „Jch bin nicht bewandert genug in derlei Fragen und weiß nicht, ob es paßt oder ob es zu viel ist. Jch denke mir, wir nehmen die Kartons mit und richten uns nach dem Ausspruch der Tante.“
Dies fand Zustimmung, und als am andern Morgen die gleich „wie angegossen“ sitzenden Kleider erschienen, wurde vor dem langen schmalen Spiegel, in dem man sich gemustert und gegenseitig befriedigend gefunden hatte, der schwesterliche Friede neu besiegelt.
„Er war doch ein herrlicher Mann,“ sagte Manon.
„Das war er und sein Andenken sei gesegnet. Aus meinem Herzen kann sein Bild nie wieder schwinden.“
Um zehn Uhr ging der Nachtzug, vom Friedrichsstraßenbahnhof aus, ab. Schon vor neun stand man in voller Reisetoilette da, bei der Manon, die sehr gut aussah, auf einen zufällig vorhandenen Krimstecher nur ungern verzichtet hatte. Sie sagte sich aber, daß es „stillos“ sein würde (stillos war eine Lieblingswendung Floras), und als sie dies erlösende Wort gefunden hatte, wurde ihr der Verzicht auch leichter. Friederike befand sich mit im Vorzimmer, um zu
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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