Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.andern Majors der Familie genannt wurde - auch auf die bildliche Darstellung seiner ruhmreichen Aktion, und nur Friederike, so sehr sie den Familienkultus mitmachte, stand mit dem alten, halb angekleideten Helden auf einer Art Kriegsfuß. Es hatte dies einfach darin seinen Grund, daß ihr oblag, mit ihrem alten, wie Spinnweb aussehenden Staublappen doch mindestens jeden dritten Tag einmal über den überall Berg und Thal zeigenden Barockrahmen hinzufahren, bei welcher Gelegenheit dann das Bild, wenn auch nicht geradezu regelmäßig, so doch sehr, sehr oft von der Wand herabglitt und über die Lehne weg auf das Sofa fiel. Es wurde dann jedesmal beiseite gestellt und nach dem Frühstück wieder eingegipst, was alles indessen nicht recht half und auch nicht helfen konnte. Denn die ganze Wandstelle war schon zu schadhaft und über ein kleines, so brach der eingegipste Nagel wieder aus, und das Bild glitt herab. "Gott," sagte Friederike, "daß er da so gestanden hat, nu ja, das war ja vielleicht ganz gut. Aber nu so gemalen, ... es sitzt nich und sitzt nich." Und nachdem sie dies Selbstgespräch geführt und die Ofenthür, was immer das letzte war, wieder fest zugeschraubt hatte, that sie Handfeger und Wischtuch wieder in den Holzkorb und trat leise durch die lange Schlafstube hin ihren Rückzug in die Küche an. andern Majors der Familie genannt wurde – auch auf die bildliche Darstellung seiner ruhmreichen Aktion, und nur Friederike, so sehr sie den Familienkultus mitmachte, stand mit dem alten, halb angekleideten Helden auf einer Art Kriegsfuß. Es hatte dies einfach darin seinen Grund, daß ihr oblag, mit ihrem alten, wie Spinnweb aussehenden Staublappen doch mindestens jeden dritten Tag einmal über den überall Berg und Thal zeigenden Barockrahmen hinzufahren, bei welcher Gelegenheit dann das Bild, wenn auch nicht geradezu regelmäßig, so doch sehr, sehr oft von der Wand herabglitt und über die Lehne weg auf das Sofa fiel. Es wurde dann jedesmal beiseite gestellt und nach dem Frühstück wieder eingegipst, was alles indessen nicht recht half und auch nicht helfen konnte. Denn die ganze Wandstelle war schon zu schadhaft und über ein kleines, so brach der eingegipste Nagel wieder aus, und das Bild glitt herab. „Gott,“ sagte Friederike, „daß er da so gestanden hat, nu ja, das war ja vielleicht ganz gut. Aber nu so gemalen, … es sitzt nich und sitzt nich.“ Und nachdem sie dies Selbstgespräch geführt und die Ofenthür, was immer das letzte war, wieder fest zugeschraubt hatte, that sie Handfeger und Wischtuch wieder in den Holzkorb und trat leise durch die lange Schlafstube hin ihren Rückzug in die Küche an. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0023" n="16"/> andern Majors der Familie genannt wurde – auch auf die bildliche Darstellung seiner ruhmreichen Aktion, und nur Friederike, so sehr sie den Familienkultus mitmachte, stand mit dem alten, halb angekleideten Helden auf einer Art Kriegsfuß. Es hatte dies einfach darin seinen Grund, daß ihr oblag, mit ihrem alten, wie Spinnweb aussehenden Staublappen doch mindestens jeden dritten Tag einmal über den überall Berg und Thal zeigenden Barockrahmen hinzufahren, bei welcher Gelegenheit dann das Bild, wenn auch nicht geradezu regelmäßig, so doch sehr, sehr oft von der Wand herabglitt und über die Lehne weg auf das Sofa fiel. Es wurde dann jedesmal beiseite gestellt und nach dem Frühstück wieder eingegipst, was alles indessen nicht recht half und auch nicht helfen konnte. Denn die ganze Wandstelle war schon zu schadhaft und über ein kleines, so brach der eingegipste Nagel wieder aus, und das Bild glitt herab.</p><lb/> <p>„Gott,“ sagte Friederike, „daß er da so gestanden hat, nu ja, das war ja vielleicht ganz gut. Aber nu so gemalen, … es sitzt nich und sitzt nich.“</p><lb/> <p>Und nachdem sie dies Selbstgespräch geführt und die Ofenthür, was immer das letzte war, wieder fest zugeschraubt hatte, that sie Handfeger und Wischtuch wieder in den Holzkorb und trat leise durch die lange Schlafstube hin ihren Rückzug in die Küche an.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0023]
andern Majors der Familie genannt wurde – auch auf die bildliche Darstellung seiner ruhmreichen Aktion, und nur Friederike, so sehr sie den Familienkultus mitmachte, stand mit dem alten, halb angekleideten Helden auf einer Art Kriegsfuß. Es hatte dies einfach darin seinen Grund, daß ihr oblag, mit ihrem alten, wie Spinnweb aussehenden Staublappen doch mindestens jeden dritten Tag einmal über den überall Berg und Thal zeigenden Barockrahmen hinzufahren, bei welcher Gelegenheit dann das Bild, wenn auch nicht geradezu regelmäßig, so doch sehr, sehr oft von der Wand herabglitt und über die Lehne weg auf das Sofa fiel. Es wurde dann jedesmal beiseite gestellt und nach dem Frühstück wieder eingegipst, was alles indessen nicht recht half und auch nicht helfen konnte. Denn die ganze Wandstelle war schon zu schadhaft und über ein kleines, so brach der eingegipste Nagel wieder aus, und das Bild glitt herab.
„Gott,“ sagte Friederike, „daß er da so gestanden hat, nu ja, das war ja vielleicht ganz gut. Aber nu so gemalen, … es sitzt nich und sitzt nich.“
Und nachdem sie dies Selbstgespräch geführt und die Ofenthür, was immer das letzte war, wieder fest zugeschraubt hatte, that sie Handfeger und Wischtuch wieder in den Holzkorb und trat leise durch die lange Schlafstube hin ihren Rückzug in die Küche an.
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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