Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ach, Friederike, rede doch nicht solch dummes Zeug," sagte Therese halb ärgerlich. "Der, gerade der. Als ob der seine Ruhe nicht hätte! Was das nur heißen soll! Jch sage dir, der hat seine Ruhe. Wenn nur jeder seine Ruhe so hätte. Gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Das weißt du doch auch. Und das gute Gewissen, na, das hat er ... Aber wo hast du nur wieder die Semmeln her? Die sehen ja wieder aus wie erschrocken, viel erschrockener als du. Jch mag nicht die Budikersemmeln. Warum gehst du nicht zu dem jungen Karchow, das ist doch ein richtiger Bäcker."

Es war dies eine zwischen dem Mädchen und dem Fräulein jeden dritten Tag wiederkehrende Meinungsverschiedenheit, und Friederike, die vollkommene Redefreiheit hatte, würde auch heute nicht geschwiegen und ihren alten Satz, ,daß man es mit den Kellerleuten nicht verderben dürfe', tapfer verteidigt haben, wenn es nicht in diesem Augenblick draußen geklopft hätte. "Der Briefträger," riefen alle drei Schwestern, und gleich danach erschien auch Friederike wieder im Zimmer und brachte die Postsachen: ein Zeitungsblatt unter Kreuzband, eine Holz- und Torfanzeige und einen richtigen Brief. Die Holz- und Torfanzeige flog gleich aufs Ofenblech, das an Sophie adressierte Zeitungsblatt, das wahrscheinlich

„Ach, Friederike, rede doch nicht solch dummes Zeug,“ sagte Therese halb ärgerlich. „Der, gerade der. Als ob der seine Ruhe nicht hätte! Was das nur heißen soll! Jch sage dir, der hat seine Ruhe. Wenn nur jeder seine Ruhe so hätte. Gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Das weißt du doch auch. Und das gute Gewissen, na, das hat er … Aber wo hast du nur wieder die Semmeln her? Die sehen ja wieder aus wie erschrocken, viel erschrockener als du. Jch mag nicht die Budikersemmeln. Warum gehst du nicht zu dem jungen Karchow, das ist doch ein richtiger Bäcker.“

Es war dies eine zwischen dem Mädchen und dem Fräulein jeden dritten Tag wiederkehrende Meinungsverschiedenheit, und Friederike, die vollkommene Redefreiheit hatte, würde auch heute nicht geschwiegen und ihren alten Satz, ‚daß man es mit den Kellerleuten nicht verderben dürfe‘, tapfer verteidigt haben, wenn es nicht in diesem Augenblick draußen geklopft hätte. „Der Briefträger,“ riefen alle drei Schwestern, und gleich danach erschien auch Friederike wieder im Zimmer und brachte die Postsachen: ein Zeitungsblatt unter Kreuzband, eine Holz- und Torfanzeige und einen richtigen Brief. Die Holz- und Torfanzeige flog gleich aufs Ofenblech, das an Sophie adressierte Zeitungsblatt, das wahrscheinlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0025" n="18"/>
        <p>&#x201E;Ach, Friederike, rede doch nicht solch dummes Zeug,&#x201C; sagte Therese halb                      ärgerlich. &#x201E;<hi rendition="#g">Der</hi>, gerade der. Als ob der seine Ruhe nicht                      hätte! Was das nur heißen soll! Jch sage dir, <hi rendition="#g">der</hi> hat                      seine Ruhe. Wenn nur jeder seine Ruhe so hätte. Gut Gewissen ist das beste                      Ruhekissen. Das weißt du doch auch. Und das gute Gewissen, na, das hat er &#x2026; Aber                      wo hast du nur wieder die Semmeln her? Die sehen ja wieder aus wie erschrocken,                      viel erschrockener als du. Jch mag nicht die Budikersemmeln. Warum gehst du                      nicht zu dem jungen Karchow, das ist doch ein richtiger Bäcker.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es war dies eine zwischen dem Mädchen und dem Fräulein jeden dritten Tag                      wiederkehrende Meinungsverschiedenheit, und Friederike, die vollkommene                      Redefreiheit hatte, würde auch heute nicht geschwiegen und ihren alten Satz,                      &#x201A;daß man es mit den Kellerleuten nicht verderben dürfe&#x2018;, tapfer verteidigt                      haben, wenn es nicht in diesem Augenblick draußen geklopft hätte. &#x201E;Der                      Briefträger,&#x201C; riefen alle drei Schwestern, und gleich danach erschien auch                      Friederike wieder im Zimmer und brachte die Postsachen: ein Zeitungsblatt unter                      Kreuzband, eine Holz- und Torfanzeige und einen richtigen Brief. Die Holz- und                      Torfanzeige flog gleich aufs Ofenblech, das an Sophie adressierte Zeitungsblatt,                      das wahrscheinlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0025] „Ach, Friederike, rede doch nicht solch dummes Zeug,“ sagte Therese halb ärgerlich. „Der, gerade der. Als ob der seine Ruhe nicht hätte! Was das nur heißen soll! Jch sage dir, der hat seine Ruhe. Wenn nur jeder seine Ruhe so hätte. Gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Das weißt du doch auch. Und das gute Gewissen, na, das hat er … Aber wo hast du nur wieder die Semmeln her? Die sehen ja wieder aus wie erschrocken, viel erschrockener als du. Jch mag nicht die Budikersemmeln. Warum gehst du nicht zu dem jungen Karchow, das ist doch ein richtiger Bäcker.“ Es war dies eine zwischen dem Mädchen und dem Fräulein jeden dritten Tag wiederkehrende Meinungsverschiedenheit, und Friederike, die vollkommene Redefreiheit hatte, würde auch heute nicht geschwiegen und ihren alten Satz, ‚daß man es mit den Kellerleuten nicht verderben dürfe‘, tapfer verteidigt haben, wenn es nicht in diesem Augenblick draußen geklopft hätte. „Der Briefträger,“ riefen alle drei Schwestern, und gleich danach erschien auch Friederike wieder im Zimmer und brachte die Postsachen: ein Zeitungsblatt unter Kreuzband, eine Holz- und Torfanzeige und einen richtigen Brief. Die Holz- und Torfanzeige flog gleich aufs Ofenblech, das an Sophie adressierte Zeitungsblatt, das wahrscheinlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T11:03:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T11:03:16Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/25
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/25>, abgerufen am 21.11.2024.