Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902."Jhr müßt aber doch geistige Beschäftigung haben?" "J bewahre. Dazu ist ja gar keine Zeit. Jch überschlage bloß dann und wann meine Schulden und rechne und rechne, wie ich wohl 'rauskomme. Das ist meine geistige Beschäftigung, ganz ernsthaft, beinahe schon wissenschaftlich." "Gott, Leo," sagte die Mutter und sah ihn ängstlich an. "Gewiß bist du bloß deshalb gekommen. Jst es denn wieder viel?" "Viel, Mutter? Viel ist es nie. Viel kann es überhaupt nie sein. Denn so dumm ist keiner. Viel, das fehlte auch noch. Aber wenig ist es und bei allem Glück, daß es so wenig ist, ist das doch auch grade wieder das Aergerliche, ja das Allerärgerlichste. Denn man sagt sich: ,Gott, es ist so wenig, dafür kann man ja gar nichts gehabt haben' und hat auch nicht, und dann kommt erst das andre, daß man's, trotzdem es so wenig ist, doch nicht begleichen kann. Keiner, der einem hilft, keine Seele. Wenn ich mir da die andern ansehe! Jeder hat einen Onkel ..." "O, den haben wir auch," unterbrach Sophie. "Und Onkel Eberhard ist ein Ehrenmann ..." "Zugestanden. Aber Onkel Eberhard, so gut er ist, er legitimiert sich nicht als Onkel oder wenigstens nicht genug. Und dann, Kinder, wer keinen Onkel „Jhr müßt aber doch geistige Beschäftigung haben?“ „J bewahre. Dazu ist ja gar keine Zeit. Jch überschlage bloß dann und wann meine Schulden und rechne und rechne, wie ich wohl ’rauskomme. Das ist meine geistige Beschäftigung, ganz ernsthaft, beinahe schon wissenschaftlich.“ „Gott, Leo,“ sagte die Mutter und sah ihn ängstlich an. „Gewiß bist du bloß deshalb gekommen. Jst es denn wieder viel?“ „Viel, Mutter? Viel ist es nie. Viel kann es überhaupt nie sein. Denn so dumm ist keiner. Viel, das fehlte auch noch. Aber wenig ist es und bei allem Glück, daß es so wenig ist, ist das doch auch grade wieder das Aergerliche, ja das Allerärgerlichste. Denn man sagt sich: ‚Gott, es ist so wenig, dafür kann man ja gar nichts gehabt haben‘ und hat auch nicht, und dann kommt erst das andre, daß man’s, trotzdem es so wenig ist, doch nicht begleichen kann. Keiner, der einem hilft, keine Seele. Wenn ich mir da die andern ansehe! Jeder hat einen Onkel …“ „O, den haben wir auch,“ unterbrach Sophie. „Und Onkel Eberhard ist ein Ehrenmann …“ „Zugestanden. Aber Onkel Eberhard, so gut er ist, er legitimiert sich nicht als Onkel oder wenigstens nicht genug. Und dann, Kinder, wer keinen Onkel <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0038" n="31"/> <p>„Jhr müßt aber doch geistige Beschäftigung haben?“</p><lb/> <p>„J bewahre. Dazu ist ja gar keine Zeit. Jch überschlage bloß dann und wann meine Schulden und rechne und rechne, wie ich wohl ’rauskomme. Das ist meine geistige Beschäftigung, ganz ernsthaft, beinahe schon wissenschaftlich.“</p><lb/> <p>„Gott, Leo,“ sagte die Mutter und sah ihn ängstlich an. „Gewiß bist du bloß deshalb gekommen. Jst es denn wieder viel?“</p><lb/> <p>„Viel, Mutter? Viel ist es nie. Viel kann es überhaupt nie sein. Denn so dumm ist keiner. Viel, das fehlte auch noch. Aber wenig ist es und bei allem Glück, daß es so wenig ist, ist das doch auch grade wieder das Aergerliche, ja das Allerärgerlichste. Denn man sagt sich: ‚Gott, es ist so wenig, dafür kann man ja gar nichts gehabt haben‘ und hat auch nicht, und dann kommt erst das andre, daß man’s, trotzdem es so wenig ist, doch nicht begleichen kann. Keiner, der einem hilft, keine Seele. Wenn ich mir da die andern ansehe! Jeder hat einen Onkel …“</p><lb/> <p>„O, den haben wir auch,“ unterbrach Sophie. „Und Onkel Eberhard ist ein Ehrenmann …“</p><lb/> <p>„Zugestanden. Aber Onkel Eberhard, so gut er ist, er legitimiert sich nicht als Onkel oder wenigstens nicht genug. Und dann, Kinder, wer keinen Onkel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0038]
„Jhr müßt aber doch geistige Beschäftigung haben?“
„J bewahre. Dazu ist ja gar keine Zeit. Jch überschlage bloß dann und wann meine Schulden und rechne und rechne, wie ich wohl ’rauskomme. Das ist meine geistige Beschäftigung, ganz ernsthaft, beinahe schon wissenschaftlich.“
„Gott, Leo,“ sagte die Mutter und sah ihn ängstlich an. „Gewiß bist du bloß deshalb gekommen. Jst es denn wieder viel?“
„Viel, Mutter? Viel ist es nie. Viel kann es überhaupt nie sein. Denn so dumm ist keiner. Viel, das fehlte auch noch. Aber wenig ist es und bei allem Glück, daß es so wenig ist, ist das doch auch grade wieder das Aergerliche, ja das Allerärgerlichste. Denn man sagt sich: ‚Gott, es ist so wenig, dafür kann man ja gar nichts gehabt haben‘ und hat auch nicht, und dann kommt erst das andre, daß man’s, trotzdem es so wenig ist, doch nicht begleichen kann. Keiner, der einem hilft, keine Seele. Wenn ich mir da die andern ansehe! Jeder hat einen Onkel …“
„O, den haben wir auch,“ unterbrach Sophie. „Und Onkel Eberhard ist ein Ehrenmann …“
„Zugestanden. Aber Onkel Eberhard, so gut er ist, er legitimiert sich nicht als Onkel oder wenigstens nicht genug. Und dann, Kinder, wer keinen Onkel
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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